Die Gemeinderatswahlen 2016 sind geschlagen und in den Amtsstuben macht sich vielerorts Erleichterung bzw. Freude breit, dass man es wieder geschafft hat, seine "Schäfchen ins Trockene zu bringen". Dies gilt insbesondere für die Männerwelt in der Tiroler Kommunalpolitik. Sie hat es weitgehend wieder geschafft, die Frauen "außen vor" zu halten. Die überwiegende Mehrheit der Gemeindepolitiker ist männlich, aber dieser Anteil bildet nicht im Entferntesten die tatsächliche Verteilung der Geschlechter in der Bevölkerung ab.
In meiner Heimatgemeinde Kramsach, beispielsweise, hat die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl 2016 einen beschämend niedrigen Frauenanteil hervorgebracht. Von den siebzehn zu vergebenden Gemeinderatsmandaten werden nun ganze drei von Frauen bekleidet (sogar eine Frau weniger als in der abgelaufenen Legislaturperiode), das ist ein Anteil von 17,6%. Also meilenweit entfernt vom tatsächlichen Anteil der Frauen an der Bevölkerung in Kramsach, die 51,8% beträgt (Männer 48,2%).
Blickt man über die Grenzen der Gemeinde Kramsach hinaus zeigt sich ein ähnlich tristes Bild. In Brixlegg, zum Beispiel, bekleideten in der abgelaufenen Periode von fünfzehn Gemeinderatssitzen ganze zwei Frauen. In Reith, wiederum, waren drei von fünfzehn Gemeinderäte Gemeinderätinnen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen!
Mehrere Ursachen dieses eklatanten Mangels an Kommunalpolitikerinnen springen einem dabei ins Auge.
Zunächst die strukturellen Ursachen:
Frauen sind systematisch auf den Wahllisten der durchwegs ÖVP-dominierten wahlwerbenden Gruppen in der Minderheit. Bei den eben geschlagenen Gemeinderatswahlen bewarben sich tirolweit 18.436 Kandidaten, davon waren 13.599 Männer und 4837 Frauen.
Beispiel Kramsach:
Liste 1 (Bürgermeisterliste Zisterer): von 34 Listenplätzen (inkl. Bürgermeister) 9 Frauen (Anteil von 26,4%)
Liste 2 (Gemeinsam für Kramsach): von 30 Listenplätzen 7 Frauen (Anteil von 23,3%)
Liste 3 (FPÖ Kramsach): von 20 Listenplätzen 5 Frauen (Anteil von 25%)
Liste 4 (Die Grünen-Liste Lebensraum): von 17 Listenplätzen 8 Frauen (Anteil von 47,1%)
Keine der ersten drei Listen erreicht einen Anteil von einem Drittel! Einzig die zuletzt angeführte „Grüne Liste“ bringt einen ausgewogenen Frauenanteil zustande!
Und zusätzlich werden Frauen größtenteils auf die nicht wählbaren Listenplätze gereiht.
Beispiel Kramsach:
Liste 1: auf den ersten 9 wählbaren Listenplätzen 2 Frauen (Anteil 22,2%)
Liste 2: auf den ersten 4 wählbaren Listenplätzen keine Frau (Anteil 0%)
Liste 3: auf den ersten 2 wählbaren Listenplätzen keine Frau (Anteil 0%)
Liste 4: auf den ersten 2 wählbaren Listenplätzen 1 Frau (Anteil 50%)
Einzig die zuletzt angeführte „Grüne Liste“ sticht wieder positiv hervor mit einer fair zwischen Frauen und Männern gemischten Liste!
Aber die Ursachen sind auch ideologisch.
Der sehr niedrige Frauenanteil resultiert aus den immer noch eher tradierten Rollenbildern der Geschlechter, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Dass sich Frauen in oder sogar über die ihnen zugeschriebenen Themen, wie Kinder, Haushalt und Soziales, hinaus politisch betätigen wird oft weder unterstützt noch ernstgenommen. Wen wundert es, dass viele fähige Frauen selbst nicht daran glauben, hier erfolgreich sein zu können!
Dass diese ideologisch geprägten Rollenbilder nicht unumstößlich sind, zeigen die "Grünen" Listen. Offenbar schaffen sie es, für eine Ausgewogenheit zwischen Frauen und Männern auf ihren Listen zu sorgen.
Gerne werden Totschlagargumente herangezogen, um das Fehlen von Frauen in den politischen Gremien der Gemeinde zu erklären. Frauen hätten kein Interesse und wären schwer zu motivieren. Das heißt, man würde sie ja gerne einbinden, wenn sie nur wollten! Also seien die Frauen selbst dafür verantwortlich, dass sie nicht zum Zug kommen. Diese Argumente entbehren nicht eines gewissen Zynismus.
Klar ist, dass aus demokratiepolitischen Gründen die Interessen der weiblichen Hälfte der Bevölkerung in der Gemeindepolitik künftig stärker wahrgenommen werden müssen! Positive Ansätze gibt es bereits. In Kundl, beispielsweise, hat sich, wohl aus Frust und Ärger, dass Fortschritte auf herkömmlichem Weg so schwer zu erzielen sind, eine reine Frauenliste gebildet („Kundler Frauen“). Aber der Weg ist noch lang und die Ebenen der Kommunalpolitik sind mühsam, wie die Wahlergebnisse 2016 zeigen.
Denn gerade die Kommunalpolitik ist aufgrund ihrer Nähe zum unmittelbaren Lebensraum prädestiniert dafür, dass die Betroffenen an deren Gestaltung mitwirken. Wo, wenn nicht auf Gemeindeebene, sollten daher Frauen am politischen Geschehen teilhaben!
Die politische Mitbestimmung von Frauen auf Gemeindeebene darf nicht bei den Wahlurnen enden! Frauen wollen selbst mitentscheiden und nicht auf das Mittragen der von anderen getroffenen Entscheidungen beschränkt werden!
Dr. Christa Bergmann-Fischbacher
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