2015 lässt der ROFAN-KURIER die Reihe der „Polit-Gespräche“ wieder aufleben. In dieser Ausgabe spricht Gabi Schiessling (SPÖ) über die Situation ihrer Partei, deren Zukunft und die Hintergründe für den Ausschluss aus der Regierung.
INNSBRUCK (cm) Gabi Schiessling ist Innsbruckerin, sie ist eine der fünf Landtags-Abgeordneten der SPÖ, die seit der letzten Wahl in Tirol in Opposition ist. Schiessling arbeitet neben ihrem politischen Mandat auch halbtägig als Sozialarbeiterin für die Klinik Innsbruck.
ROKU: „Die SPÖ Tirol befindet sich nun seit über einem Jahr in Opposition. Warum bemerkt man sie kaum? Müsste eine Oppisitions-Partei nicht mehr auffallen?“
SCHIESSLING: „Man muss ganz klar sagen: Wir haben in Tirol 68 Jahre lang regiert und dieses Land mit aufgebaut. Wir stehen zu den Errungenschaften und Entscheidungen, die wir in der Regierung mitgetragen haben. Aber außerhalb der Regierung haben wir weniger Informationen und weniger Ressourcen. Der Verlust von 1,7% der Stimmen und auch der Weg in die Opposition waren ein Schock. Das Oppositions-Geschäft haben wir vorher auch noch nie gelernt.“
ROKU: „Die geringe Wahrnehmbarkeit kann aber nicht noch immer auf einem Schock nach der Wahl basieren?“
SCHIESSLING: „Es gibt in Tirol durchaus auch Zensur. Nicht alle Medien berichten über unsere Themen, nicht alle Redakteure dürfen immer das berichten, was sie wollen. Die Medien-Landschaft ist auch enger geworden. Dadurch fallen auch Sprachrohre weg.“
ROKU: „Wie sehen Sie die Zukunft der SPÖ, was sind Ihre Ziele?“
SCHIESSLING: „Unser Verständnis von Politik heißt ganz klar: Gestalten statt kritisieren. Daher wollen wir nach der nächsten Wahl wieder mitregieren. Die ÖVP wird in Tirol nicht so bald auf der Oppositions-Bank sitzen. Daher wird die nächste Koalition, wenn vielleicht auch mit drei Parteien, auch eine ÖVP beinhalten, mit der wir regieren können.“
ROKU: „Wo sehen Sie die Ursachen dafür, dass die SPÖ nicht mehr in der Regierung sitzt?“
SCHIESSLING: „Dafür gibt es mehrere Gründe. Die ÖVP und die SPÖ haben in Tirol bei der letzten Wahl verloren. (Anm.: ÖVP: -11.000 Stimmen, SPÖ: - 8.000 Stimmen). Man wollte wohl keine „Verlierer-Koalition“ bilden. Aber man wollte wohl Vorwärts Tirol nicht einbinden. Dass wir in der Agrar-Frage ausgeschert sind, hat man uns auch angekreidet. Und man war in der ÖVP gekränkt darüber, dass wir Gerhard Reheis als Landeshauptmann plakatiert haben. Dazu kommen weitere Vorteile: Endlich halten die GRÜNEN (Anm.: Aus Sicht der ÖVP) im Landtag den Mund! Man hat sie zurechtgestuzt, sie gezähmt und ihnen einen Maulkorb verpasst!“
ROKU: „GRÜN und ROT sind eher links angesiedelt. Begrüßt die SPÖ, dass die GRÜNEN in der Regierung sitzen und nicht etwa eine andere Partei?“
SCHIESSLING: „Das dachten wir anfangs auch. Aber die GRÜNEN sind an der Macht eine absolute Negativ-Überraschung! Sie sind massiv in der Zange der ÖVP. Die GRÜNEN verraten jetzt zum Teil sogar ihre ureigenen Grundsatz-Positionen. Wenn morgen eine Wahl wäre, würden die GRÜNEN sicher Federn lassen. Der harte Kern mag vielleicht trotz allem grün bleiben, aber all die Wechsel-Wähler, die sich gedacht haben... „diesmal wähl´ ich grün“, sind sicher massiv enttäuscht.“
ROKU: „Was genau könnte diese Wähler enttäuschen?“
SCHIESSLING: „Im Koalitions-Papier von SCHWARZ-GRÜN stehen andauernd Worte wie „evaluieren“ oder „prüfen“... Viele Seiten, wenig konkrete Aussagen. Die GRÜNEN haben sich verbogen bis zum Anschlag. Allein die letzte Generalrede von Landtags-Vizepräsident Hermann Weratschnig (GRÜNE) aus Schwaz. Bei seiner Budget-Rede hat er hauptsächlich der ÖVP nach dem Mund geredet. Die GRÜNEN sind die 5. Kolonne der ÖVP geworden! So formuliert es jemand bei uns treffend. “
ROKU: „Sie haben ja im letzten Landtag die grüne Regierungs-Bank angeschossen...“
SCHIESSLING: „Da gäbe es viel zu sagen... Jahrelang haben sich die GRÜNEN bei jeder Gelegenheit beschwert: Es sei Missachtung des Landtages, wenn Regierungs-Mitglieder nicht an der Landtags-Sitzung teilnehmen! Wenn unsere Regierungs-Mitglieder nur auf´s Klo gegangen sind, gab es schon Beschwerden. Und jetzt fehlt Landesrätin Baur (GRÜNE) gleich mehrere Stunden in der wichtigsten Sitzung des Jahres, sogar dann, wenn einer ihrer eigenen Kernpunkte besprochen wird! Das ist eine Frechheit und eine Missachtung des Landtages! Die Regierung hat dem Landtag Rede und Antwort zu stehen. Das trifft für alle Regierungs-Mitglieder zu. Die Ausrede, sie habe sich um Flüchtlinge gekümmert, ist ein Witz. Dafür gibt es ja die zuständigen Beamten. Schlimm ist auch, dass sich die grünen Regierungs-Damen offenbar selbst geknebelt haben: Wenn die Regierung platzt, dürfen sie ihre Landtags-Mandate nicht annehmen. Sie wären dann arbeitslos. Sie werden also alles tun, damit die Koalition hält und sich weiter verbiegen...“
ROKU: „Danke für das Gespräch!“
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