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Lebensmittel: Was sollen wir noch essen?

Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger setzt in Sachen Ernährung auf Regionalität wo immer es möglich ist.   Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger setzt in Sachen Ernährung auf Regionalität wo immer es möglich ist. Die Fotografen
Die Unsicherheit der Konsumenten steigt: In der Lebensmittel-Industrie wird offenbar gelogen und betrogen, wo immer es ein paar Cent bringt. Was sollen wir noch essen?

TIROL (cm) Pferdefleisch-Skandal, BIO-Eier-Betrug und die Felder werden offenbar europaweit mit illegalen Unkrautmitteln aus China vergiftet. Der ROFAN-KURIER hat den Präsidenten der Landes-Landwirtschaftskammer, Josef Hechenberger, zum Thema „Was sollen wir noch essen“ zum Interview gebeten. Er besuchte uns mit seiner bestens informierten Presse-Sprecherin in der Redaktion.

ROKU: „Welche Tierarten hältst du selber auf deinem Hof?“

HECHENBERGER:
„Derzeit halten wir 80 Kühe, in erster Linie Milch- und Zuchtvieh. Wir produzieren Rindfleisch für den Eigenbedarf. Außerdem halten wir Hühner.“

ROKU: „Gibt es so etwas wie Lebensmittel-Sicherheit noch?“

HECHENBERGER: „Die Intervalle zwischen den Skandalen werden immer kürzer. Ich sehe das sehr kritisch. Für mich als Bauer ist es positiv, dass solche Themen aufkommen, weil das Bewusstsein für Lebensmittel und deren Wert wieder steigt. Wir haben auch als Bauern die Pflicht, dem Vertrauensvorschuss als Produzenten gerecht zu werden.“

ROKU: „Wie schaut das aus, wenn du als LWK-Präsident eine Kuh schlachten lässt: Wo fährst du hin oder kommt der Metzger auf den Hof? Welches Fleisch kommt zu Hause auf den Teller: Das von hofeigenen Tieren?“

HECHENBERGER: „Schlachtung am Hof ist ja mittlerweile verboten. Erlaubt ist eine Schlachtung am EU-Schlachthof, der die Standards erfüllt. Zum Beispiel in Reith… Wir haben da einen Bauern, der auch Gastwirt ist und einen deklarierten, geprüften EU-Schlachthof betreibt. Dort lasse ich schlachten. Schweinefleisch haben wir nicht selbst, wir kaufen zum Beispiel bei der Firma Wimpissinger, weil das ein regionaler Metzger ist.“

ROKU: „Welche Medikamente und Antibiotika und welche Wachstums-Mittel sind in der Nutztier-Haltung bei uns erlaubt?“

HECHENBERGER: „Hormone sind gänzlich verboten. Wenn ein Tier krank ist, sind jedoch Medikamente erlaubt. Aber auch Homöopathie ist im Vormarsch! In Tirol haben wir den Tier-Gesundheitsdienst, da muss genau dokumentiert werden, was wann und in welcher Menge verabreicht wurde. Es gibt gesetzlich die Verpflichtung, dass jeder Tierhalter jedes Tier innerhalb von sieben Tagen kennzeichnet. Auch wenn das Tier den Hof wechselt – aufbauend auf dem BSE-Skandal – muss jedes Tier von Geburt an bis zur Schlachtung lückenlos überwacht werden. Sonst drohen BH-Strafen oder die Kürzung von Förderungen.“

ROKU: „Was sagst du zu Mitteln wie Monsanto Roundup? Es wird als Unkrautmittel legal in der Landwirtschaft eingesetzt und soll Pflanzen-Schäden aber auch Hormonstörungen, Entwicklungsschäden und Geburtsdefekte bei Tieren verursachen.“

HECHENBERGER: „Die meisten Tiroler Bauern (95%) haben sich verpflichtet, auf Kunst-Dünger oder chemischen Pflanzenschutz freiwillig zu verzichten. Das wird kontrolliert! Für die Einhaltung gibt es eine finanzielle Abgeltung.“

ROKU: „Woher kommt das Gemüse, das wir essen (in der Regel), wenn wir beim Wirt sitzen?“

HECHENBERGER: „Bei der Milch und der Milchproduktion hat Tirol eine Eigenversorgung von ca. 80%. Bei Gemüse ist es natürlich saisonal bedingt. Es gibt bei keinem Produkt eine Vollabdeckung – aber Tirol ist im Gemüse-Bereich extrem gut aufgestellt.“

ROKU: „Billig kostet... Billig kostet uns offenbar unsere Gesundheit. Könnten lokale Anbieter überhaupt ein Ausweg sein.“

HECHENBERGER: „Man kann nicht das ganze Jahr über frische Tiroler Äpfel oder Zwetschken erwarten. Aber wir versuchen den Obstbau auszuweiten, weil gerade das Tiroler Oberland hier besonders geeignet ist. Wichtig ist, dass die Qualität passt!“

ROKU: „Regionale Produkte sind offenbar sicherer. Doch jetzt steuert die EU mit der Saatgutrichtlinie gegen und möchte die private und kleinbäuerliche Vermehrung  von Saatgut für Getreide, aber auch Obst und Gemüse (?) verbieten, sofern die Sorten nicht registriert und genormt sind. Das wäre der Tod für kleine regionale Strukturen, die noch bestehen. Was tust du als LWK-Präsident, um den Beschluss dieser Richtlinie zu verhindern? Hier gibt es auch Unterschriften-Aktionen...“

HECHENBERGER: Das ist wohl eine Dummheit, wenn man versucht, ganz Europa über einen Kamm zu scheren. Wenn Produktion zu normiert wird, ist die Gesellschaft noch anfälliger für gesundheitliche Entwicklungen.  Eine Abhängigkeit der Bevölkerung im Lebensmittelbereich ist nicht möglich – das sehe ich sehr kritisch. Wir machen gemeinsam mit Südtirol genau das Gegenteil, wo wir mit GENE-SAVE alte Obstsorten, die resistent sind, neu aussetzen, damit diese erhalten bleiben. Ich werde das Thema bei der Länder-Runde auf die Agenda setzen.“

ROKU: „Was rätst du den Leserinnen und Lesern: Wie sollen sie ihren Bedarf decken? Worauf sollen sie achten? Offenbar wird auch mit Gütesiegeln und Prüfzeichen Schindluder getrieben?“

HECHENBERGER: „Sofern saisonal möglich, ist man sicher gut damit beraten, wenn man bei Bauernmärkten, Läden oder bei Verarbeitungs-Betrieben einkauft. Am kritischsten ist es, wenn man Fertigprodukte kauft, das ist ein Mix von irgendwo. Ich traue Zertifikaten wie „BIO vom BERG“ oder „Qualität Tirol“ oder österreichweit dem „AMA-Gütesiegel“...
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