Massenmord oder Heldentat: Vor 60 Jahren befahl US-Präsident Harry S. Truman den Abwurf der Atom-Bomben auf Hiroshima und Nagasaki. Atombomben gegen einen Feind, dessen Soldaten sich mangels Munition mit Bambus-Speeren bewaffnen mussten...
JAPAN (cm) Als am Montag, 6. August 1945, um 7.09 Uhr Flieger-Alarm ausgelöst wird, beachten ihn die Menschen in Hiroshima kaum. Zu oft waren in den letzten Wochen einzelne Flugzeuge in großer Höhe über der Stadt aufgetaucht, um Wetterdaten zu sammeln oder Aufnahmen von der Stadt zu machen.
Die Menschen sitzen beim Frühstück, die Arbeitstrupps werden eingeteilt, die Kinder machen sich bereit für die Schule.
„Empfehlen, Hauptziel zu bombardieren“
Um 7.25 Uhr hat das Wetterbeobachtungs-Flugzeug seine Aufgabe über Hiroshima erfüllt. „Empfehlen, das Hauptziel zu bombardieren“, gibt der Kaptain des Bombers an die Basis durch.
Als das Flugzeug mit dem Namen „Strait Flush“ um 7.31 Uhr, abdreht, wird Entwarnung gegeben.
Kurz nach 8.00 Uhr abermals Luftalarm: Ein kleiner Verband, bestehend aus drei B29 „Superfortress“ taucht in 9.500 Metern Höhe am Himmel auf. An ihrer Spitze die „Enola Gay“. Die Menschen beachten die Maschinen kaum...
Gesteuert wird der Bomber damals von Oberst Paul Tibbets, Leiter des 509. Bombergeschwaders. Sein Flugzeug, die „Enola Gay“ ist nach seiner Mutter benannt.
Um 8.15 Uhr befindet sich das Abwurf-Ziel, eine große T-förmige Brücke über den Fluss „Ota“ genau im Visier von Bomben-Schütze Ferebee.
JAPAN (cm) Im Stadtzentrum herrscht rege Betriebsamkeit, als Ferebee um Punkt 8 Uhr, 15 Minuten und 17 Sekunden „Little Boy“ – so der Codename der Bombe – ausklinkt.
Die Superfortress dreht hart ab, Tibbets geht kurzzeitig in Sturzflug um Geschwindigkeit aufzubauen, gibt vollen Schub auf die vier Motoren. Die Enola Gay muss mindestens 13 km vom Explosions-Punkt weg, um nicht von der Schockwelle vernichtet zu werden.
Einige Japaner blicken zum Himmel und klatschen: Hinter einem der zwei Beobachtungsflugzeuge sehen sie drei Fallschirme am Himmel. „Die Amerikaner stürzen ab“, denken sie. Aber es sind Geräte, die Druck und Strahlung messen und per Funk die Daten an die Flugzeuge übermitteln sollen.
45 Sekunden lang beobachten die Menschen die drei Fallschirme. Dann erreicht „Little Boy“, die 4.535 kg schwere und vier Meter lange Atombombe, die Zündungs-Höhe: 565 Meter über dem Meeresspiegel lösen die Drucksensoren die stärkste bis dato von Menschen verursachte Explosion aus.
Menschen zerfallen bei 6.000 Grad zu Asche
Beim Zündvorgang wird ein kleines Uranstück vom Heck der Bombe in eine größere Uranmasse im Vorderteil geschossen. Im Bruchteil einer Sekunde kommt es zur Kernreaktion. Die künstliche Sonne explodiert etwa 500 Meter über der Stadt. Der Feuerball mit einem Durchmesser von 500 Metern und einer Kraft von 20.000 Tonnen TNT, löscht Tausende Leben aus.
Die Menschen zerfallen zu Asche, werden im 6.000 Grad heißen Nahbereich verdampft. Das Zentrum von Hiroshima wird zu einem Verbrennungs-Ofen.
Für Hitler gebaut, an Japan geliefert...
Am 6. August 1945, um 8.15 Uhr, klinkte der Bombenschütze Ferebee die erste gegen Menschen eingesetzte Atombombe aus und entfachte einen alles verzehrenden Feuerball. Gedacht war die Bombe für Berlin. Doch Deutschland kapitulierte zu schnell...
JAPAN (cm) So kurz der Hitzesturm andauerte, so verheerend war er: Schatten von Menschen brennen sich bei der Explosion in den Beton und in den Straßenbelag.
Noch in vier Kilometer Entfernung brennt es den Menschen Teile der Haut von ihren Körpern. Bei hunderten Frauen leiten die dunklen Muster ihrer Kimonos die Hitze direkt auf die Haut weiter, die Muster brennen sich ins Fleisch, während die weißen Teile der Kleidung unversehrt bleiben und die Hitze reflektieren!
Andere überleben noch einige Sekunden, bis die Druckwelle mit 800 km/h sie wie eine riesige Faust erschlägt oder sie von umherfliegenden Häuserteilen und Glassplittern getötet oder verschüttet werden.
Schwarzer Regen
Die mehrere Tausend Grad heiße Sonnenglut und die Druckwelle verwandeln 13 Quadrat-Kilometer in eine nukleare Wüste. Wenige Minuten nach der Explosion setzt der radioaktive Regen ein: Tropfen, die aussehen wie schwarze Kügelchen. Das Wasser ist so schwer von Staub, das die Tropfen auf der Haut schmerzen. Das Phänomen entsteht durch die Verdampfung des Wassers im Feuerball und die darauf folgende Kondensation in der Wolke.
„Den Überlebenden hing die Haut in Fetzen vom Körper. Wie Schlafwandler schleppten sie sich durch die Trümmer, aus ihren Brand-Wunden tropfte Flüssigkeit...“
(Tagebuch von Masako Kamamura)
Wer kann, schleppt sich zu Teichen oder Flüssen, um die Verbrennungen zu kühlen. Die, die später kommen kriechen über jene, die vorher da waren. Wer unten liegt, ertrinkt. Brunnen, Teiche, Flüsse sind voll von Leichen. Viele, die nach dem Kampf um die Wasser-Stellen noch leben, trinken den schwarzen Regen und besiegeln damit ihr Schicksal.
Der schwere Regen ist voll mit radioaktivem Staub. In wenigen Tagen wird die Strahlenkrankheit fast alle töten, die davon getrunken haben.
70.000 Leben hatte der erste Abwurf sofort ausgelöscht, viele der über 40.000 teils schwerst Verletzten starben später.
Als Japan dennoch nicht kapitulierte, befahl Präsident Truman für den 9. August 1945 den vorgezogenen Abwurf von Bombe Nummer zwei – eine Plutonium-Bombe mit dem Codenamen „Fat Man“. Für Hiroshima hatte man eine Uran-Bombe verwendet, die man vorher noch nicht getestet hatte. Eine kleinere Plutonium-Bombe mit dem Namen „Trinity“ wurde bereits am 16. Juli 1945 in der Wüste von New-Mexiko, 80 km von Alamogordo, getestet. Der Atomblitz erhellte die Atmosphäre bis in eine Höhe von 400 Kilometer.
„Bis heute sind in Hiroshima 250.000 Menschen an den Folgen der Atombombe gestorben, in Nagasaki sind es ca. 135.000 direkte Bombenopfer.
Weitere 350.000 Überlebende haben einen Opferausweis, da sie bis heute unter den Folgen der Atombomben leiden“, lässt die englische Version einer Homepage des japanischen Bomben-Museums von Hiroshima wissen. Sie haben Blutkrebs, Verbrennungen, Behinderungen...
Piloten begutachten ihr Werk
Nachdem die „Enola Gay“ die Druckwellen überstanden hatte, flogen die Piloten eine Schleife, um ihr „Werk“ zu begutachten: Über dem Zentrum der Stadt stieg eine weiße Rauchsäule in den Himmel, die Spitze breitete sich zu einem beinahe vollständigem Pilzgebilde aus. Die Bilder des 7.000 Meter hohen Wolken-Gebildes gingen um die Welt.
Atom-Bomben auf Japan: Die Schicksale der Menschen
Aus den Tagen des Atombomben-Abwurfes auf Hiroshima und Nagasaki liegen Tagebuch-Aufzeichnungen vor, die erahnen lassen, was diesen Menschen angetan wurde.
JAPAN (cm) „Das Feuer kam immer näher. Doch was ich auch tat, ich konnte meine Tochter nicht befreien.“ Aus dem Tagebuch von Shige Hiratsuka, der Mutter des Mädchens .
„Mami, es ist so heiß“
Etwa einen Kilometer von der Abwurf-Stelle in Hiroshima wird das Haus von Shige Hiratsuka von der Druckwelle zerschmettert. Ihr Mann und sie können sich aus den Trümmern befreien, sie rufen nach ihren Kindern. „Ich entdeckte meine vierjährige Tochter Kazu, von der Brust abwärts in den Trümmern eingeklemmt. Ich zog an ihren Armen, an den Trümmern. Das Feuer kam immer näher. Ich konnte sie nicht befreien. `Mami, es ist so heiß!´, schrie sie! Aber ich konnte die Hitze und den Schmerz nicht mehr ertragen. `Mami, geh nicht weg! Es tut so weh!´, schrie sie wieder. Ich weinte und musste ihr sagen, dass ihre Mutter nicht den Mut hatte, mit ihr zu sterben“.
Als sie und ihr Mann in einem Lazarett unterkommen, nehmen die Ärzte eine Blutprobe von ihm. Doch der Einstich schließt sich nicht mehr. Er verliert viel Blut. Auf seiner Haut hatten sich violette Flecken gebildet, er erbrach eine braune Flüssigkeit. Wenig später hatte sie auch ihn verloren.
Akiko Takakura war nur 260 Meter von der Abwurf-Stelle entfernt. „Mein Körper wurde herumgeschleudert, als wäre er aus Papier.“ Die damals 17-jährige ist vermutlich die Einzige, die so Nahe am Zentrum überleben konnte. Sie und ihre Freundin kamen an diesem Tag als erste zur Arbeit in die erdbebensichere Bank-Filiale. „Wir waren eine Zeit lang bewusstlos, überall zerschunden. Glasscheiben waren gebrochen, hatten sich in Geschoße verwandelt und sich in unsere Haut gebohrt. Als wir uns nach draußen schleppten, war alles voller Leichen. Eine Woche später starb auch meine Freundin.“
Kinuko Laskey, Krankenschwester: „Nach der Explosion war meine Kleidung mit Glasscherben an meinen Körper geheftet. Überall Verbrennungen. Ich schleppte mich zum Teich hinter der Praxis, in der ich arbeitete und wollte mich kühlen. Auch andere wollten das und lagen bereits im Wasser. Die, die nachdrängten schleppten sich über sie hinweg. Die darunter lagen, ertranken. Es ertranken so viele, bis der Teich voll war mit Leichen. Ich träume heute noch davon“.
Masako Kamamura: „Einige Stunden nach der Explosion kamen Züge in die Stadt und fuhren so weit sie konnten Richtung Zentrum. Die Menschen die sich noch bewegen konnten, schleppten sich wie Schlafwandler zu den Waggons. Die Haut hing ihnen in Fetzen vom Körper und aus ihren Wunden tropfte Flüssigkeit. Viele waren schon tot, auch wenn sie es noch nicht wussten.“
Shuntaro Hida, Militärarzt: „Ich lebe, weil mich ein hartnäckiger Bauer in der Nacht zuvor auf seinen 6 km entfernten Hof holte, um nach seiner kleinen Tochter zu sehen. Ich übernachtete dort. Am nächsten Morgen sah ich diesen furchterregenden Feuerball. Unbedeckte Haut wurde brennend heiß, dann diese Pilzförmige Wolke und eine Druckwelle, die den Hof des Mannes beinahe komplett zerstörte.“ Der Arzt nimmt ein Fahrrad und fährt Richtung Stadt.
„Auf halbem Weg begegnete mir eine Gestalt, von oben bis unten schwarz und verkohlt. Sie hatte kein Gesicht mehr, keine Nase. Vor mir stolperte das Wesen. Ich erschauderte. `Reiß dich zusammen! Fühl den Puls´ sagte ich mir. Als Arzt fühlt man immer zuerst den Puls. Ich fasste nach dem Arm, aber es war keine Haut mehr da. Nur noch verbranntes Fleisch. In diesem Moment starb dieser Mensch, nachdem er blind 3 km weit geflüchtet war...“
Wir haben versucht, Fakten und historische Hintergründe, aber auch die Grausamkeit der Atom-Bomben-Abwürfe von 1945 zu beleuchten. Dieses Stück Zeitgeschichte sollte in Erinnerung bleiben. Wir danken dem historischen Archiv des ORF, der Österr. Nationalbibliothek, dem Hiroshima Peace Memorial Museum und dem Nagasaki Atomic Bomb Museum für die Zusammenarbeit!
Die Redaktion