40% überflüssig? Der richtige Umgang mit Antibiotika
International - Antibiotika sind natürlich gebildete Stoffwechselprodukte von Pilzen und Bakterien. Sie wirken hervorragend gegen viele Bakterien. Einige Bakterien sind aber sogar ausgesprochen nützlich. Sie leisten uns gute Dienste bei der Verdauung. Weil Antibiotika nicht zwischen "guten" und "schlechten" Bakterien unterscheiden können, töten sie leider auch die nützlichen ab. Erkältungskrankheiten wie auch die Grippe sind Virusinfektionen. Gegen Viren sind Antibiotika absolut machtlos. Trotzdem kann es auch bei einer Erkältung nötig werden, dass der Arzt ein Antibiotikum verschreibt. Vor allem, wenn es im Laufe einer Erkältungskrankheit zu einer zusätzlichen Infektion mit Bakterien kommt. Mediziner nennen das eine Superinfektion. Typische Beispiele hierfür sind der eitrige Schnupfen, die Nasennebenhöhlen-Eiterung nach einem Schnupfen oder Halsschmerzen mit hohem Fieber und eitrigem Auswurf. Sind Bakterien beteiligt, handelt es sich meist um Streptokokken, die schwere Folgeschäden verursachen können, z.B. am Herzen oder den Nieren.
Antibiotika: Zu oft verordnet?
Etwa 40 bis 60 Prozent der Antibiotika-Rezepte sind laut Dr. Michael Kresken von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft überflüssig verordnet. In jedem zweiten Fall würden sie laut Dr. Kresken ohne zwingenden Grund verschrieben, meist bei Infekten wie Schnupfen oder Husten. Der Grund: Viele Mediziner scheuen den Aufwand, den eine Blutuntersuchung oder ein Abstrich zur exakten Identifikation des Erregers mit sich bringt. Sie verordnen laut Dr. Kresken prophylaktisch Antibiotika, ohne zu klären, welcher Erreger vorliegt und welches Antibiotikum am besten helfen würde.
Aber auch viele Patienten fordern die Antibiotika regelrecht ein, weil sie nicht ohne ein gut wirksames Medikament nach Hause gehen wollen.
Falscher Umgang produziert resistente Erreger!
Schon heute wirken bei vielen Bakterien Antibiotika nicht mehr, weil die Erreger bereits resistent geworden sind.
Im ambulanten Bereich geschieht dies am häufigsten, weil die Patienten ihre Medikamente nicht in ausreichender Dosierung oder nicht mit dem richtigen zeitlichen Abstand einnehmen. Viele setzen die Medikamente ab, sobald es ihnen besser geht.
Das Problem: Widerstandsfähige Bakterien können überleben und werden so gegen das Medikament unempfindlich. Dabei hilft ihnen die Tatsache, dass das Antibiotikum die Darmflora und die Schleimhäute bereits geschädigt hat und diese nun einen idealen Nährboden für die Ausbreitung der resistenten Keime darstellen.
Da die Bakterien gegen immer mehr Antibiotika resistent werden, müsste die Pharmaindustrie neue Antibiotika entwickeln. Das ist aber teuer und wenig rentabel. Daher forschen nur mehr vereinzelt Labore in diesem Bereich.
Die richtige Anwendung
1.) Ein Antibiotikum sollte immer so lange und in der Dosierung eingenommen werden, wie es der Arzt verschrieben hat. Bei einem vorzeitigen Abbruch werden nicht alle Bakterien abgetötet, die noch vorhandenen können Resistenzen bilden.
2.) Die vorgeschriebenen Abstände zwischen den Einnahmen sollten eingehalten werden, um einen gleichmäßigen Pegel an Wirkstoffen zu gewährleisten.
3.) Manche Antibiotika werden durch Kalzium in ihrer Wirkung gestört! Sie sollten deshalb nicht mit Milch oder kalziumreichen Mineralwässern eingenommen werden (Abstand zur Einnahme min. 2 Stunden!). Dasselbe gilt für Alkohol: Er schränkt die Wirksamkeit des Antibiotikums ein. Idealerweise nimmt man die Tabletten mit einem großen Glas Wasser ein.
4.) Einige Antibiotika müssen nüchtern eingenommen werden, andere zum Essen. Anweisungen unbedingt beachten!
5.) Wer noch andere Medikamente einnimmt, sollte wegen möglicher Wechselwirkungen mit seinem Arzt darüber sprechen.
Häufigste Nebenwirkungen: Hautausschläge, gestörte Darmflora, bei Frauen: Scheidenpilz.
Tipp: Zeitgleich Medikamente zum Schutz der Darmflora einnehmen, Frauen die zu Pilzinfektionen neigen, sollten Scheiden-Zäpfchen mit Milchsäurebakterien verwenden.
3 Millionen infizieren sich im Krankenhaus!
Ein Oberarzt, der bei der Visite von Patient zu Patient geht, ohne sich dazwischen die Hände zu desinfizieren? Diese Fossile sterben langsam aus. Doch Mediziner berichten, dass sie dies noch vor 20 Jahren während ihrer Ausbildungszeit auch in Tiroler Krankenhäusern beobachtet haben!
EUROPA/TIROL (rr) Das Krankenhaus: Ein Ort der Sauberkeit, wo alles ganz steril hergeht. Eigentlich.
Doch alleine in Europa infizieren sich Jahr für Jahr etwa drei Millionen Menschen in Krankenhäusern mit Keimen oder Viren.
Landes-Sanitätsdirektor Dr. Franz Katzgraber dazu: „Es ist oft auch der Zeitdruck an den Kliniken, in Sanatorien oder Arzt-Praxen, der die Leute die Wichtigkeit der Hände-Desinfektion vergessen lässt.“
Teils mit verheerenden Folgen: Denn gerade in Krankenhäusern gibt es sogenannte „Multiresistente Erreger“, die mit Antibiotika nicht bekämpft werden können.
Durch das einfache Desinfizieren der Hände mit 80-prozentigem Alkohol sterben diese Erreger aber ab! Die Spender dafür findet man in Tirol beinahe in jedem Patientenzimmer, in den WCs und teils sogar am Gang.
Dazu Dr. Cornelia Lass-Flörl von der Med-Uni Innsbruck: „Die Übertragung von krankheitsverursachenden Keimen ist für alle Bereiche der Gesundheitsversorgung ein relevantes Problem. Mit einer so simplen Maßnahme wie dem Desinfizieren der Hände kann in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen verhindert werden, dass multiresistente Keime übertragen werden!“
Tirol startet „Aktion saubere Hände“
Aufgrund der Bedeutung des Themas hat Tirol kürzlich offiziell die „Aktion saubere Hände“ gestartet. Dabei geht es nicht um einen Anti-Korruptions-Pakt, sondern darum, das Bewusstsein für die Wichtigkeit von desinfizierten Händen in allen Bereichen des Gesundheits-Wesens wieder mehr zu stärken.
Drei Millionen Infektionen
Tirols Gesundheits-Landesrat Dr. Bernhard Tilg ist dieses Thema ein echtes Anliegen: „In Europa verzeichnen wir drei Millionen Fälle von Krankenhaus-Infektionen pro Jahr. Dadurch steigen die Kosten und die Aufenthaltsdauer von PatientInnen in Krankenhäusern enorm. Ganz zu schweigen vom Gesundheitsrisiko. Durch eine so simple und kostengünstige Maßnahme wie die Händehygiene können laut Studien bis zu 40 Prozent dieser Infektionen verhindert werden! Daher muss dieses Thema für uns höchsten Stellenwert haben. Derzeit bemühen wir uns über die `Aktion saubere Hände´, dieses Wissen und die WHO-Standards zur Händehygiene noch mehr im Krankenhausalltag zu integrieren“, erklärt LR Bernhard Tilg.
Ziel der Aktion ist es, dass die Verhaltensregeln zur Händedesinfektion in allen Gesundheitseinrichtungen noch mehr zum selbstverständlichen Alltag werden. „Die Kampagne berücksichtigt Krankenanstalten, stationäre Pflege-Einrichtungen, niedergelassene Ärzte, Hauskrankenpflege, Rettungsdienste und Reha-Einrichtungen. In einem dreijährigen Stufenplan werden alle bettenführenden Krankenanstalten und die Landespflegeklinik, alle Pflegeheime, die Hauskrankenpflege und das Rettungswesen in das Projekt integriert“, erklärt dazu Landessanitätsdirektor Katzgraber.
Aufbauend auf der WHO-Kampagne „Clean Care is Safer Care“ wurde in Deutschland die Kampagne „Aktion saubere Hände“ ins Leben gerufen. Da es eine vergleichbare Aktion in Österreich nicht gibt, beteiligt sich Tirol in Deutschland.