ELGA: Vor- und Nachteile des elektronischen Gesundheitsakts
ÖSTERREICH (aw) Der elektronische Gesundheitsakt (ELGA) soll alle Patienten-Daten speichern – von Befunden über verschriebene Medikamente bis hin zu Röntgen-Bildern. Sobald sich der Patient per E-Card bei einem Arzt (oder einer anderen Gesundheitseinrichtung) anmeldet, hat dieser vier Wochen lang Zugriff auf die jeweiligen Daten.
„Fehlmedikation ausgeschlossen“
Apotheken haben ausschließlich Einsicht auf die Medikamente und das nur für den aktuellen Tag. Dritte (z. B. der Arbeitgeber) haben keine Einsicht in ELGA, würden sich dadurch sogar strafbar machen.
„Für Patienten ist ELGA eine Bereicherung. Die E-Medikation ist dringend notwendig“, erklärt der ehemalige TGKK-Obmann Bgm. Michael Huber. Huber nennt sogleich Beispiele von Fehlmedikationen, wenn etwa ein zu starkes Antibiotikum verschrieben wird. „32% der +70-Jährigen und 40% der +80-Jährigen sind von solchen Fehlmedikationen betroffen“, ergänzt der langjährige TGKK-Obmann. Laut Huber soll das mit ELGA nicht mehr passieren, da verschriebene Medikamente im jeweiligen Akt gespeichert werden.
In Sachen Datenschutz ist Michael Huber für eine klare Aufklärung. „Das ist ein sensibles Thema, das klar behandelt werden muss. Die Patienten müssen detailliert aufgeklärt werden. Grundsätzlich habe ich keine Bedenken, denn die Daten marschieren ja nicht, sie bleiben in der Zentrale.“
Ärzte nicht verpflichtet
Der größte Widerstand in Bezug auf den ELGA gab es bisher von den Ärzten selbst. Diese wollten nicht zur Anwendung von ELGA verpflichtet werden. Im vergangenen Monat einigten sich Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) und Gesundheitssprecher Erwin Rasinger (ÖVP) auf einen Kompromiss: Befunde aus Labors, Entlassungsbriefe von Krankenhäusern und Medikamente müssen zwar verpflichtend im ELGA landen, beim Rest gilt allerdings ein „Verwendungsrecht“ – Ärzte müssen ELGA also nicht verwenden, wenn sie nicht wollen.
Dr. Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer Tirol, begrüßt diese Annäherung: „Wir erkennen die politische Intention, hier für Ärzte eine Lösung zu schaffen.“ Jedoch sieht Wechselberger noch Unstimmigkeiten in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit und pocht ebenso auf eine lückenlose Aufklärung zum Thema Datenschutz. Unzufrieden ist der Ärztekammer-Präsident auch mit der Pilot-Phase: „Die ‚schwammige‘ Möglichkeit regional verteilter Tests reicht nicht, das System gehört vorab verbindlich getestet.“ Ende 2012 beginnen die ersten Schritte zum Aufbau des Systems.
„Opting-out“ für Patienten
Patienten haben übrigens die Möglichkeit eines sogenannten „opting-out“. Wer beim ELGA nicht dabei sein möchte, der muss dies bei der ELGA-Ombudsstelle melden und wird dann abgemeldet. Alle anderen sind automatisch dabei.
ELGA und der gläserne Patient: Die Debatte geht weiter!
Der Elektronische Gesundheitsakt (kurz ELGA) sorgt weiterhin für hitzige Diskussionen. Während Befürworter den hohen Komfort preisen, gibt es genug Zweifler, die den angekündigten Einsparungen nicht trauen und nun den „gläsernen Patienten" fürchten.
ÖSTERREICH (aw) Fast jeder zweite Österreicher tut es. Ohne einen Schritt vor die Tür zu machen. Ohne Schlange zu stehen. Ohne zu warten. Ganz einfach, mit ein paar Klicks. Fast jeder zweite Österreicher nützt E-Banking, begleicht seine Rechnungen über den Computer daheim. Schnell und einfach. E-Banking beinhaltet Risiken, kommt in Sachen Komfort aber Bank und Kunden zu Gute.
Hoher Komfort versprochen
Ähnlich soll es mit dem Elektronischen Gesundheitsakt (ELGA) ablaufen. Dieser soll über die E-Card sämtliche Patienten-Daten speichern. Egal ob das verschriebene Medikamente oder Röntgen-Bilder sind. Patienten können sich von zu Hause aus über ELGA einloggen und ihren „Krankheitsverlauf" nachlesen – angehäufter Papierkram könnte damit ebenso der Vergangenheit angehören wie das Hervorkramen alter Befunde.
Umfragen nach zu urteilen befürwortet die Bevölkerung die sogenannte „E-Medikation". Gleichzeitig stellt ELGA für den größeren Teil dieser Befürworter ein großes Fragezeichen dar.
Weniger positiv äußert sich die Ärztekammer über die bevorstehende Einführung von ELGA. Ärzte befürchten vor allem einen Angriff auf die ärztliche Verschwiegenheitspflicht und sind der Ansicht, dass ihre und die Daten ihrer Patienten zu transparent werden. Außerdem bekrittelt die Ärztekammer die fehlende freiwillige Teilnahme für Patienten und Ärzte. Während Ärzte auf Dauer nicht an ELGA vorbeikommen werden, wird der Bürger automatisch in das neue System hineingezwängt – nur wer sich abmeldet, eist sich los von ELGA. Gesundheitsminister Alois Stöger begründete diese Maßnahme mit einer „Verwaltungsvereinfachung".
Stichtag: 1. Juli 2013
Geht es nach Gesundheitsminister Stöger, wird der „Testbetrieb" für ELGA schon am 1. Juli 2013 gestartet. Ab 2017 sollen Ärzte dazu verpflichtet werden, mit dem neuen Programm zu arbeiten. Stöger, der im Juni einen neuen Gesetzesentwurf für ELGA vorlegte, hat viele, aber noch nicht alle Parteien auf seiner Seite. Während die ÖVP und die BZÖ für ELGA sind, aber eine Überarbeitung des Gesetzes verlangen, stellt sich die FPÖ komplett dagegen. Diese Kritik richtet sich hauptäschlich in Richtung Finanzierung und Datenschutz. „Das Gesetz hat schwere Mängel. Ich fürchte den ‚gläsernen Patienten‘", bezweifelt Datenschutzexperte Hans Zeger den Elektronischen Gesundheitsakt.
Start kostet 130 Millionen!
Tatsächlich scheint es nach ACTA, der Vorratsdatenspeicherung und dem Angriff auf das Berufsgeheimnis so, als ob der einfache Bürger immer transparenter wird. ELGA wird die Anonymität, die Privatsphäre eines jeden einzelnen weiter ankratzen. Schließlich befinden sich die Daten in den Fängen des „www" und bleiben dort auch für zehn Jahre!
Bezüglich der Finanzierung behauptet das Gesundheitsministerium, dass die Einführung von ELGA Kosten in der Höhe von 130 Mio. EURO und dann jährlich zusätzliche 18 Mio. EURO verursachen wird. Gleichzeitig soll das neue System jährliche Einsparungen von 129 Mio. EURO bringen.