Wenn Hermann Egger aus Kirchbichl am Himmel dicke Wolken sieht, wird er unruhig. Diesen Sommer hat der Sturm seine Behausung mehrmals fast weggerissen. Seit er die Wohnung bei einem türkischen Vermieter verlor, ist er obdachlos und lebt am Inn-Ufer.
TIROL/KIRCHBICHL (cm) „Jetzt noch über die Brücke und dann rechts, am Inn entlang runter bis zum Ende des Weges...“
Hermann Egger beschreibt den Weg zu seiner Behausung. Seit ihn sein türkischer Vermieter im Juli rauswarf, lebt der 62-jährige in einem Zelt am Inn. Das ist seine einzige Zuflucht.
Den Platz kennt er. Sein Großvater und sein Vater gingen hier bereits der alten Tradition des „Holz-Fischens“ nach und Hermann Egger macht das auch. Er fischt Wurzeln und kleinere Stämme aus dem Inn-Wasser unter dem Kirchbichler Kraftwerk. Mit Wehmut denkt er an die Zeit, als der ORF hier über seinen Vater und dessen Freunde berichtet hat. Damals, als sie gemeinsam das Holz aus dem Inn holten, wie es das Recht eines jeden Tirolers ist, waren sie die Bewahrer einer Tradition. Heute fühlt er sich „abgelegt“. Wie eine Sache.
„Kaum jemand hilft mir. Hier laufen am Tag Dutzende Menschen vorbei. Die meisten gaffen nur und wollen sehen, wie ich hier lebe“, sagt Egger. Nur einzelne kommen um zu helfen. Er ist verzweifelt. Alle habe er schon angerufen, wirklich alle. „Die Caritas, das Rote Kreuz, die Feuerwehr, den Samariterbund... Zuerst habe ich es freilich beim Bürgermeister probiert, aber der gibt mir keine Wohnung“, ärgert sich Egger über Bgm. Herbert Rieder (SPÖ).
„Alle anderen, nur ich nicht“
Warum für fahrende Rumänen mit Steuergeld Aufenthalts-Plätze gesucht und gebaut werden sollen und Asylwerber Wohnung, Fernsehen und Internet bekommen – sich aber niemand um ihn schert – versteht Egger nicht: „Ich bin österreichischer Staatsbürger, habe hier gearbeitet, und habe nichts. Niemand schert sich um mich, niemand hilft mir“, sagt Egger. Er weiß nicht, zu wem er noch gehen soll. Und so holt er jeden Tag Äste und Müll aus dem Wasser, räumt das Ufer auf und organisiert sein Leben, so gut es eben geht. Sein „Haus“ ist ein Zweimann-Zelt, ein Geschenk von seinem Rechtsanwalt. Vorher hat er unter einer Plane geschlafen, aber die hat ihm der Wind immer weggerissen. Trinkwasser holt er zu Fuß beim Friedhof, seine Wäsche wascht er in einem 10-Liter-Kübel mit Inn-Wasser. Duschen muss er sich unter einem Wasser-Schlauch. Sein Ofen ist eine Feuerstelle in der Erde... Ende Juli feierte er seinen 62. Geburtstag. Das macht ihn traurig. Egger blickt zu Boden: „Niemand ist gekommen. Ich war ganz allein...“
Hermann Egger lebte bis 2012 mit seiner Mutter in einer Gemeindewohnung. Als die alte Frau in´s Altersheim musste, habe ihn der Bürgermeister aus der Wohnung geworfen. „Der Kirchbichler Bürgermeister Rieder sagte mir, dass ich nicht in der Gemeinde-Wohnung bleiben darf. Er sagte, das Haus wird abgerissen und wenn ich nicht gehe, lässt er mich hinaustragen! Jetzt steht das Haus immer noch“, erinnert sich Egger. Rieder habe Egger zwar 2012 aus seiner Gemeinde-Wohnung geworfen, ihm aber bis heute keine andere Wohnungen zugewiesen...
Nach seiner Zeit in der Gemeindewohnung kam er in Kirchbichl in einem Zinshaus unter, das einer türkischen Familie gehört, die dort auch vermietet hat.
„Das Haus war in schlechtem Zustand und ich weiß gar nicht, ob dort noch vermietet werden darf“, sagt Egger. Die Heizung wäre öfters ausgefallen, die Elektrik sei desolat gewesen. Die Dusche hätte kaum Wasser geführt. „Ich habe Miete und Betriebskosten bezahlt. Aber dann haben sie bei mir geklopft und nur gerufen: „Du 50,- EURO für Putzen zahlen!“ Das wollte ich nicht. Sie haben mir dann eine Rechnung gestellt (ein Betrag über mehrere Hundert EURO. Anmerkung), die habe ich nicht bezahlt. Also musste ich raus“, schildert Egger die Vorgeschichte aus seiner Sicht.
Das war Anfang Sommer. Seither lebt er am Inn-Ufer unter dem Laufkraftwerk Kirchbichl.
Egger: „Möchte nur eine kleine Bleibe in Kirchbichl“
Der größte Wunsch von Hermann Egger: Eine kleine Wohnung in Kirchbichl. Er möchte aus dem Ort nicht weg, vor allem das Holzfischen gibt ihm viel. Und er fürchtet, dass er das nicht mehr tun dürfte, wenn er hier erst einmal weg geht. Der 62-jährige lebt derzeit von der Grundsicherung (Sozialhilfe). Das sind etwa 610,- EURO pro Monat.
Bekäme er eine Mietwohnung, würde man ihm diese von Seiten des Landes (mit)bezahlen.
Gegen Ende August meldet sich Egger nochmal in der Redaktion: Er friert in der Nacht stark und wurde mit Kreislauf-Kollaps in das Krankenhaus Kufstein eingeliefert, später habe er sogar einen Herzinfarkt erlitten...
Was sagt Bgm. Herbert Rieder, (SPÖ) Kirchbichl?
Für Obdachlose ist laut Experten-Aussage primär die Wohnort-Gemeinde zuständig.
Dies ließe sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 12 und Artikel 15 „Zuständigkeiten der Gemeinde“ ableiten. Darüber hinaus hätte die Gemeinde sogar die Pflicht, zum Thema „Bedürftigkeit“ eine Stellungnahme abzugeben.
Der ROFAN-KURIER befragte zur Situation von Herrn Egger den Kirchbichler Bürgermeister, Herbert Rieder von der SPÖ.
Rieder sagt dazu: „Ich weiß, dass der Herr Egger in Kirchbichl bleiben will und alle möglichen Medien anruft. Wir kennen den Herrn Egger ja schon sehr gut. Aber zur Zeit ist halt keine Gemeinde-Wohnung in Kirchbichl frei! Und Egger hat ein Wohnungs-Angebot in Kufstein und ein Wohnungs-Angebot in Rattenberg abgelehnt, weil ihm die Wohnungen zu klein waren und er nicht mobil ist.“ Daher sei Egger selbst schuld an seiner Lage.
Auf die Frage, ob man ihm nicht eine Wohnung in Kirchbichl von privaten Anbietern suchen könne, da es Egger nicht gut gehe, sagt Rieder: „Über den privaten Wohnungs-Markt weiß ich nicht bescheid und über den Gesundheitszustand von Herrn Egger auch nicht. Aber da er Wohnungs-Angebote abgelehnt hat, wird es vielleicht noch nicht so dringend sein...“ Rieder verspricht aber, man werde Egger informieren, sobald eine Gemeinde-Wohnung frei werde...