A+ A A-

Hermann Egger, der abgelegte Mensch

Mittwoch, 03 September 2014
Freigegeben in Tirol-Nachrichten
Wenn Hermann Egger aus Kirchbichl am Himmel dicke Wolken sieht, wird er unruhig. Diesen Sommer hat der Sturm seine Behausung mehrmals fast weggerissen. Seit er die Wohnung bei einem türkischen Vermieter verlor, ist er obdachlos und lebt am Inn-Ufer.


TIROL/KIRCHBICHL (cm) „Jetzt noch über die Brücke und dann rechts, am Inn entlang runter bis zum Ende des Weges...“
Hermann Egger beschreibt den Weg zu seiner Behausung. Seit ihn sein türkischer Vermieter im Juli rauswarf, lebt der 62-jährige in einem Zelt am Inn. Das ist seine einzige Zuflucht.
Den Platz kennt er. Sein Großvater und sein Vater gingen hier bereits der alten Tradition des „Holz-Fischens“ nach und Hermann Egger macht das auch. Er fischt Wurzeln und kleinere Stämme aus dem Inn-Wasser unter dem Kirchbichler Kraftwerk. Mit Wehmut denkt er an die Zeit, als der ORF hier über seinen Vater und dessen Freunde berichtet hat. Damals, als sie gemeinsam das Holz aus dem Inn holten, wie es das Recht eines jeden Tirolers ist, waren sie die Bewahrer einer Tradition. Heute fühlt er sich „abgelegt“. Wie eine Sache.
„Kaum jemand hilft mir. Hier laufen am Tag Dutzende Menschen vorbei. Die meisten gaffen nur und wollen sehen, wie ich hier lebe“, sagt Egger.  Nur einzelne kommen um zu helfen. Er ist verzweifelt. Alle habe er schon angerufen, wirklich alle. „Die Caritas, das Rote Kreuz, die Feuerwehr, den Samariterbund... Zuerst habe ich es freilich beim Bürgermeister probiert, aber der gibt mir keine Wohnung“, ärgert sich Egger über Bgm. Herbert Rieder (SPÖ).  
DSC 0264
„Alle anderen, nur ich nicht“

Warum für fahrende Rumänen mit Steuergeld Aufenthalts-Plätze gesucht und gebaut werden sollen und Asylwerber Wohnung, Fernsehen und Internet bekommen – sich aber niemand um ihn schert – versteht Egger nicht: „Ich bin österreichischer Staatsbürger, habe hier gearbeitet, und habe nichts. Niemand schert sich um mich, niemand hilft mir“, sagt Egger. Er weiß nicht, zu wem er noch gehen soll. Und so holt er jeden Tag Äste und Müll aus dem Wasser, räumt das Ufer auf und organisiert sein Leben, so gut es eben geht. Sein „Haus“ ist ein Zweimann-Zelt, ein Geschenk von seinem Rechtsanwalt. Vorher hat er unter einer Plane geschlafen, aber die hat ihm der Wind immer weggerissen. Trinkwasser holt er zu Fuß beim Friedhof, seine Wäsche wascht er in einem 10-Liter-Kübel mit Inn-Wasser. Duschen muss er sich unter einem Wasser-Schlauch. Sein Ofen ist eine Feuerstelle in der Erde... Ende Juli feierte er seinen 62. Geburtstag. Das macht ihn traurig. Egger blickt zu Boden: „Niemand ist gekommen. Ich war ganz allein...“
Hermann Egger lebte bis 2012 mit seiner Mutter in einer Gemeindewohnung. Als die alte Frau in´s Altersheim musste, habe ihn der Bürgermeister aus der Wohnung geworfen. „Der Kirchbichler Bürgermeister Rieder sagte mir, dass ich nicht in der Gemeinde-Wohnung bleiben darf. Er sagte, das Haus wird abgerissen und wenn ich nicht gehe, lässt er mich hinaustragen! Jetzt steht das Haus immer noch“, erinnert sich Egger.  Rieder habe Egger zwar 2012 aus seiner Gemeinde-Wohnung geworfen, ihm aber bis heute keine andere Wohnungen zugewiesen...  

Egger in Not              

Nach seiner Zeit in der Gemeindewohnung kam er in Kirchbichl in einem Zinshaus unter, das einer türkischen Familie gehört, die dort  auch vermietet hat.
„Das Haus war in schlechtem Zustand und ich weiß gar nicht, ob dort noch vermietet werden darf“, sagt Egger. Die Heizung wäre öfters ausgefallen, die Elektrik sei desolat gewesen. Die Dusche hätte kaum Wasser geführt. „Ich habe Miete und Betriebskosten bezahlt. Aber dann haben sie bei mir geklopft und nur gerufen: „Du 50,- EURO für Putzen zahlen!“ Das wollte ich nicht. Sie haben mir dann eine Rechnung gestellt (ein Betrag über mehrere Hundert EURO. Anmerkung), die habe ich nicht bezahlt. Also musste ich raus“, schildert Egger die Vorgeschichte aus seiner Sicht.
Das war Anfang Sommer. Seither lebt er am Inn-Ufer unter dem Laufkraftwerk Kirchbichl.

Egger: „Möchte nur eine kleine Bleibe in Kirchbichl“  

Der größte Wunsch von Hermann Egger: Eine kleine Wohnung in Kirchbichl. Er möchte aus dem Ort nicht weg, vor allem das Holzfischen gibt ihm viel. Und er fürchtet, dass er das nicht mehr tun dürfte, wenn er hier erst einmal weg geht. Der 62-jährige lebt derzeit von der Grundsicherung (Sozialhilfe). Das sind etwa 610,- EURO pro Monat.
Bekäme er eine Mietwohnung, würde man ihm diese von Seiten des Landes (mit)bezahlen.
Gegen Ende August meldet sich Egger nochmal in der Redaktion: Er friert in der Nacht stark und wurde mit Kreislauf-Kollaps in das Krankenhaus Kufstein eingeliefert, später habe er sogar einen Herzinfarkt erlitten...

Egger Zelt

Was sagt Bgm. Herbert Rieder, (SPÖ) Kirchbichl?

Für Obdachlose ist laut Experten-Aussage primär die Wohnort-Gemeinde zuständig.
Dies ließe sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 12 und Artikel 15 „Zuständigkeiten der Gemeinde“ ableiten. Darüber hinaus hätte die Gemeinde sogar die Pflicht, zum Thema „Bedürftigkeit“ eine Stellungnahme abzugeben.
Der ROFAN-KURIER befragte zur Situation von Herrn Egger den Kirchbichler Bürgermeister, Herbert Rieder von der SPÖ.
Rieder sagt dazu: „Ich weiß, dass der Herr Egger in Kirchbichl bleiben will und alle möglichen Medien anruft. Wir kennen den Herrn Egger ja schon sehr gut. Aber zur Zeit ist halt keine Gemeinde-Wohnung in Kirchbichl frei! Und Egger hat ein Wohnungs-Angebot in Kufstein und ein Wohnungs-Angebot in Rattenberg abgelehnt, weil ihm die Wohnungen zu klein waren und er nicht mobil ist.“ Daher sei Egger selbst schuld an seiner Lage.
Auf die Frage, ob man ihm nicht eine Wohnung in Kirchbichl von privaten Anbietern suchen könne, da es Egger nicht gut gehe, sagt Rieder: „Über den privaten Wohnungs-Markt weiß ich nicht bescheid und über den Gesundheitszustand von Herrn Egger auch nicht. Aber da er Wohnungs-Angebote abgelehnt hat, wird es vielleicht noch nicht so dringend sein...“ Rieder verspricht aber, man werde Egger informieren, sobald eine Gemeinde-Wohnung frei werde...

Was bringt der „neue“ Feminismus?

Dienstag, 03 Dezember 2013
Freigegeben in Österreich
Immer mehr Feministinnen treten in den Medien auf, um sich für die Rechte der Frauen einzusetzen. In ihren Forderungen sind allerdings die wirklichen Bedürfnisse der Frauen nebensächlich. 

ÖSTERREICH (bb) „Erfolgreich ohne Penis“, „Alte-Kuh neue Kuh“, „Wir Alphamädchen“ - mittlerweile ist das feministische Repertoire auf dem Büchermarkt unüberschaubar geworden. Das Thema ist ein Verkaufsschlager in den Massenmedien, wo nun verstärkt Feministinnen auftreten, die sich von den „alten“, Männer feindlichen und Lila-Latzhosen tragenden Frauenrechtsverfechterinnen vehement abgrenzen. Vielmehr zeigen sie sich als jung, modern und dynamisch. Von ihren Inhalten kann man das oftmals nicht behaupten.  

Debatte in Österreich

Auch in Österreich wird über Gleichstellung von Frauen und Männern - die bereits 1998 in der Bundesverfassung verankert wurde - rege diskutiert. So fordern Feministinnen in den Medien beispielsweise ein eigenständiges Frauenministerium, das mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet ist. Bisher ist die Frauenministerin nämlich nur Ministerin im Bundeskanzleramt, ihre Ressourcen sind vom Budget, sowie der Organisation und Personalverwaltung des Bundeskanzleramtes abhängig. Auch auf Landesebene scheint das Thema Frauen in Mode zu sein. So wurde kürzlich das neue Tiroler Kinder- und Jugendschutzgesetz in komplett weiblicher Form verfasst. Doch dieser vermeintliche Meilenstein in der Tiroler Frauenpolitik ist eher ein Salto rückwärts. Vielmehr werden darin die Fehler des alten radikalen Feminismus wie die ethnozentrische Sichtweise  und dem Ausschluss  der Männer wiederholt. So Swird in Österreich bzw. in Tirol, statt immanente Probleme der Gleichstellungspolitik, wie der Gender Pay Gap, ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Armutsfalle der Alleinerzieherinnen oder mangelnde Väterkarenz, anzugehen, lieber nur der Schein einer egalitären Gesellschaft gewahrt.

Der neue Feminismus

Der neue Feminismus scheint sich immer mehr von den wirklichen Bedürfnissen der Frauen abzuheben. So kommen in unzähligen Fernseh-Talkshows und Titelgeschichten renommierter Zeitschriften ausschließlich beruflich erfolgreiche Frauen zu Wort, die über ihre Ziele und Wünsche sprechen. Dazu gehört vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Für sie ist klar, dass alle jungen Frauen heute das Gleiche wollen, „nämlich: genauso viel verdienen wie Männer, die gleichen Aufstiegschancen sowie einen gleich großen Anteil an Macht im Land. Es scheint, als würde in der Gleichstellungsdebatte nur noch die Berufskarrieren von gut qualifizierten Frauen thematisieret werden. Probleme wie Niedriglöhne gerade in Erwerbsbereichen, in denen Frauen überrepräsentiert sind, illegalisierte Hausarbeiterinnen und deren oft miserablen Arbeitsbedingungen sowie Altersarmut von Frauen tauchen hingegen nur kurz unter dem Label der Sozialpolitik auf, werden aber im hegemonialen Diskurs nicht weiter beachtet. So wird zu den besten Sendezeiten unter dem Topos des neuen Feminismus ausschließlich für das bürgerliche Klientel gestritten, deren Interessen allerdings mit einem „Wir“ verallgemeinert werden. Die Anderen, die nicht dazu gehören, finden keine Erwähnung, behaupten die Sozialwissenschaftlerinnen Melanie Groß  und Gabriele Winker. Was für einen Nutzen eine Reinigungsfrau oder eine Sexarbeiterin von dieser Art Gleichstellungspolitik haben soll, stellen sie in Frage.  Auch der Maßstab für politische Erfolge richtet sich mittlerweile nach den Forderungen erfolgreicher bürgerlicher Frauen. So stellt die  Erhöhung der Frauenquoten bei Professuren, Führungskräften, Unternehmensvorständen oder in Aktiengesellschaften einen gewaltigen Fortschritt in Sachen Gleichstellungspolitik dar. Klare Vorschläge zur Beseitigung der Armut bei Alleinerziehenden, zur Erzielung humaner Arbeitsbedingungen bei undokumentierten und illegalisierten Dienstleisterinnen, zur Einführung menschlicher Abtreibungsbedingungen oder zur Verhinderung von Gewaltverhältnissen und Diskriminierungen in Familien, werden allerdings weder von politischen Vertretern noch von den medial aktiven Feministinnen gemacht.

Mainstream Debatte

Zusammenfassend bleibt der Eindruck zurück, dass individuelle Selbstbefreiungsstrategien die derzeit einzige Entwicklung im Feminismus ist.  Davon profitieren Groß  und Winker zufolge allerdings nur gut ausgebildete, finanzkräftige und im Bürgertum sozial vernetzte Frauen. Ihnen gehe es nicht um die grundlegende Umgestaltung von heteronormativen Geschlechterverhältnissen sondern um die Erzielung individueller Gleichstellung. Störend ist daran, wie die Soziologin Ute Gerhard treffend anmerkt, dass es in diesem auf das Bürgertum bezogenen Feminismus keinen Platz für Mitgefühl gibt, für Solidarität mit Frauen, die nicht dieselben ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen vorweisen können. Darüber hinaus ist es ärgerlich, dass ausschließlich die Meinung von Karrierefrauen zu hören ist, die mit ihrer verallgemeinernden Sprache andere Positionen gänzlich ausschließen. Um jedoch die wirklichen Probleme derjenigen wahrzunehmen, die nicht Teil der Mittelschicht sind, erfordert es eine Frauenpolitik, die jenseits der Mainstreamdebatte angesiedelt ist, laut Groß und Winker
© Rofankurier