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Wie schlecht sind die Luftwerte in Tirol wirklich? Und was soll das schon bringen – die Autobahn ein paar Stunden zu blockieren? Die Antwort darauf gibt eine Grafik des Umwelt-Bundesamtes mit Daten von der Mess-Stelle an der A12 bei Vomp...

TIROL/VOMP (hp) Noch immer wird in Tirol darüber diskutiert, ob es wirklich der Verkehr ist, der hier so großen Anteil an den schlechten Luftwerten hat.
Seit der Blockade gibt es einen neuerlichen Beweis in Form von Mess-Daten des Umwelt-Bundesamtes, der eindrucksvoll zeigt, wie sich die Stickstoff-Dioxid-Werte während der Blockade entwickelt haben.
Die aktuelle Grafik aus dem Umweltbundesamt zur Entwicklung von Stickstoffdioxid während der Versammlung am 28. September 2012 zwischen 11:00 und 23:00 Uhr zeigt: Stickstoffdioxid war während der Blockade nur noch spärlich vorhanden.

„Weder Hausbrand, noch Hausrind...“

„Jene, die dauernd erzählen, dass andere Quellen schuld sind – etwa von Hausbrand bis zum Hausrind – sollen ihre Energie darauf verwenden, an einer Reduktion mitzuarbeiten, statt ständig die Unwahrheit zu erzählen. Hätte es noch eines Beweises für den jahrelangen Konflikt gebraucht, liegt dieser nun schwarz auf weiß vor und braucht nur mehr kurz kommentiert werden. Die aktuellen Daten der Luftgütemessstelle Vomp zeigen mit aller Deutlichkeit, woher die Stickstoffdioxide tatsächlich wehen – nicht vom oft gescholtenen Hausbrand, nicht von den oft gescholtenen Gewerbe-, Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben und ihren Produktionen. Sie wehen von der Straße!“, sagt dazu Fritz Gurgiser, Obmann des Transitforum Austria/Tirol.
Die Abgase kommen laut Transitforum von LKW und PKW, die regional verkehren und für die Eigenversorgung notwendig sind, aber auch massiv von LKW, die den Brenner als „billigste, attraktivste und bequemste Alpenquerung“ nutzen und von PKW auf ihrer Fahrt von Nord nach Süd und umgekehrt.
Bei allen sei der „Reduktionshebel“ anzusetzen. Der Sachbefund des Transitforums: „Begrenzte Täler vertragen keinen unbegrenzten Verkehr“ und jeder könnte  einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Ignoranz ein großes Problem

Was Gurgiser besonders sauer aufstößt: Die Ignoranz der Leute. „Es ist bemerkenswert, dass sich trotz umfangreicher Berichterstattung Tausende deutsche und sonstige Autofahrer voll in den Stau gestürzt haben! Alle haben gedacht, `mich betrifft das ja eh nicht´. Die dachten wirklich, ihr NAVI führt sie da sorglos durch! Und mit der selben Ignoranz und mit der selben `betrifft mich nicht´ Einstellung gehen viele Menschen leider auch an das Transitproblem heran.“
In der Reihe der Polit-Interviews im ROFAN-KURIER spricht diesmal Fritz Gurgiser, Staatspreisträger für Natur- und Umweltschutz, Obmann des Transitforum Austria/Tirol, Gründer des „Bürgerclub Tirol“ und Abgeordneter im Tiroler Landtag über Politik, Gesundheit und das Recht auf Selbsterhaltung...

TIROL (rr) Fritz Gurgiser, Tiroler Ikone im Kampf gegen den Transit, hat unlängst wieder durch den Aufruf zur Blockade der Inntal-Autobahn auf sich aufmerksam gemacht. Der ROFAN-KURIER hat mit ihm über Hintergründe und die politische Zukunft gesprochen.

ROKU: „Fritz, wie bist du mit der letzten Blockade der A12 Ende September zufrieden? Wie viele Leute waren da wirklich – manche Medien haben ´500 Menschen´ geschrieben...“

GURGISER: „Das war ein Bomben-Erfolg! Aber die 500 Leute sind absoluter Blödsinn. Tatsache ist: Wir haben von 9.00 Uhr bis 21:00 Uhr durchgehend Leute verpflegt. Da herrscht ein Kommen und Gehen. Wir hatten mindestens 3.000 Leute. Aber das Ziel der Versammlung war es nicht, viele Leute auf der Autobahn stehen zu haben, sondern eine intensive Diskussion über das sektorale Fahrverbot anzufachen. Und das haben wir geschafft! Das Versprechen von LHStv Hannes Gschwentner hat nicht gehalten: Der Entwurf für ein neues Fahrverbot für Schrott, Müll, Steine und so weiter im Transit, den er für Sommer angekündigt hat, ist nie gekommen! Ohne Demo wäre die Diskussion um dieses Fahrverbot eingeschlafen. Aufhänger waren:
10 Jahre Sanierungsgebiet, höchste Schadstoffbelastung im Jahresmittelwert bei den Messungen und damit die Gesundheit. Und freilich auch die Arbeitsplatz-Debatte. Noch immer kapieren einige Leute nicht, was da passiert: Durch die schlechten Luftwerte haben unsere Betriebe massive Umweltauflagen bei Erweiterungen und Neuansiedlungen. Das vernichtet wertvolle Arbeitsplätze.“

ROKU: „Manche werfen dir vor, dass du jetzt wieder mit dem Blockieren angefangen hast, weil du Wahlkampf für 2013 machst...“

GURGISER: „Warum haben wir jetzt blockiert? Weil wir auf das Urteil des europäischen Gerichtshofes gewartet haben. Das kam aber leider erst Ende 2011. Damit war der Transport von Müll, Abfall, Schrott, Autos, Holz, Steinen etc. im Transit wieder frei! Dann wollten wir noch das Versprechen des Landes abwarten, dass man bis Mitte 2012 etwas tun will. Das ist leider nicht passiert und daher mussten wir auf die Straße gehen. Zum Schutz unserer Gesundheit und unserer Arbeitsplätze. Aber man darf nicht vergessen, dass das Fahrverbot ja schon jahrelang gut funktioniert hat.“

GURGISER fügt hinzu (lacht): „Da müsst‘ ich ja ein schöner Trottel sein, wenn ich die Blockade wegen dem Landtags-Wahlkampf mach‘! Mein Stellvertreter ist ein Grüner, die unterstützenden Bürgermeister sind Schwarze!

ROKU: „Kann man das eigentlich trennen? Fritz Gurgiser, der Transitforums-Obmann und Fritz Gurgiser, der Landtagsabgeordnete mit eigenem Landtags-Club „Bürgerclub Tirol“? Und muss man das überhaupt trennen?“

GURGISER: „Unser Transitforum vertritt seit 25 Jahren genau die Interessen, die wir jetzt in den Landtag tragen. In Belangen, wo das Land zuständig ist, bringen wir auch entsprechende Anträge im ein. Wir haben auch eine Reihe von Landtags-Beschlüssen erreicht, aber beim Umsetzen durch die Verantwortlichen hapert es.“

ROKU: „Wo genau hapert es?“

GURGISER: „Der Landtag hat beschlossen, dass das Land sich dafür einzusetzen hat, dass von Rosenheim bis Verona die gleichen Bedingungen im LKW-Verkehr gelten. Nur setzt sich die Regierung hier viel zu wenig für dieses Ziel ein! Und das, obwohl wir in Tirol über 1/3 der Fahrten nur als Umweg-Verkehr von anderen Routen bewältigen (weil wir die attraktivste Strecke sind). Wir haben in Nordtirol eine Reihe von Klimaschutz-Gemeinden, die sich bemühen, Luftschadstoffe zu senken. Wir haben von Innsbruck bis Kufstein Betriebe, die massiv in die Verbesserung der Luftsituation investieren. Der Steuerzahler finanziert die Verbesserung der Schiene! Und jetzt hat als Dank dafür die Straße Narrenfreiheit?!? Nur, weil sich die Regierung weigert, den freien Warenverkehr etwas in die Schranken zu weisen, obwohl die  Menschenrechts-Konvention diese Möglichkeit durchaus vorgibt! Es wird aber nicht gemacht, weil man das Geld aus der Mineralölsteuer, der Maut und dem Roadpricing haben will. Da gehen Milliarden nach Wien und wir haben den Dreck in der Luft und bezahlen mit dem Verlust der Gesundheit und dem Verlust der Arbeitsplätze!“

ROKU: „In Sachen Luftverpestung und Transit seid ihr wohl die Profis im Landtag. Welche Maßnahmen könnten Tirols Kinder vor Lungenkrankheiten schützen?“

GURGISER: „Wir brauchen das Sektorale Fahrverbot für Müll, Dreck, Erde.... Dann: Einführung von Tempo 100 km/h für PKW fix, Tempo 80 km/h für Busse fix und Tempo 60 km/h für LKW fix! Das haben wir im Jänner schon in den Landtag eingebracht. Der Antrag wurde von ÖVP, SPÖ und FPÖ ausgesetzt. Man beschäftigt sich nicht damit. Bis heute! Die Aufregung um Tempo 100 ist ein Witz, weil das Land Tirol im Maßnahmen-Paket 2006 den fixen 100er selbst nach Brüssel gemeldet hat! Wir trauen uns das verlangen, weil der PKW bei den Stickstoff-Dioxiden mittlerweile einen Anteil von 50% der Emissionen hat! Und noch was: Die Arbeitsplätze müssen wieder zurück in die Gemeinden. Auf´s Land! Nicht immer neue Straßen in die Zentren bauen. Zurück in die Gemeinden. Dann können die Leute vor Ort arbeiten.“

ROKU: „Tritt dein Landtagsclub, der `Bürgerclub Tirol´ bei der Wahl 2013 an und wenn ja: Wer ist Spitzenkandidat?“

GURGISER (lacht): „Selbstverständlich! Aber den Spitzenkandidaten geben wir dann bekannt, wenn sich die anderen wirklich auf einen Wahltermin 2013 geeinigt haben. Bis heute weiß man das ja offiziell noch nicht, wann wirklich gewählt wird.“

ROKU: „Was ist euer Wahlziel? Rechnest du dir echte Chancen auf einen Wiedereinzug aus?“

GURGISER: „Wenn wir nicht denken würden, dass wir reinkommen, würden wir ja nicht antreten. Wir möchten weiter Politik für den Bürger machen. Ich für meinen Teil will so viele Wähler wie möglich zurück zur Wahl führen. Wer nicht wählt, vergibt ein wichtiges demokratisches Recht.“

ROKU: „Kritiker sagen, du bist nur ein Wasserträger für die  Landtags-Beschlüsse der ÖVP...“

GURGISER: „Wir haben von Anfang an Sachpolitik gemacht. Für über die Hälfte unserer Anträge haben wir Mehrheiten gefunden. Farben-Politik und Parteiengeschwafel interessiert uns dabei nicht.“

ROKU: „Hat dich das politische System nach einer Periode Landtag irgendwie „inhaliert“ und verändert?“

GURGISER (lacht): „Nein... Wir sind immer noch unabhängig und sind keine Berufspolitiker. Damit hat man einen anderen Zugang zu den Themen. Wir machen das, was wir immer schon gemacht haben: Politik für die Bürger. Diese Unabhängigkeit ist leider bei vielen Berufspolitikern in diesem Land nicht mehr gegeben! Wir haben eine ganz klare Linie: Wir bleiben bei den Themen Verkehr, Wohnen, regionale Wirtschaft,  Arbeitsplätze, Pflege und Gesundheit. Damit verzetteln wir uns nicht.“

ROKU: „Was sagst du zur Arbeit im Landtag nach einer Periode?“

GURGISER: „Die Abgeordneten bekommen vom Steuerzahler einen Haufen Geld! Die Leute haben ein Recht darauf, dass die auch mal etwas arbeiten und entscheiden und nicht nur auf den eigenen Sack schauen. Generell muss man aber sagen, dass der Landtag komplett reformiert werden muss! Wenn die Wähler davonlaufen, ist nicht der Wähler schuld, sondern der Auftritt und das Bild der Politiker. Der Tiroler Landtag ist behäbig, gemütlich und tut nicht weiter mit Entscheidungen. Hier wird nur geredet, aber nichts entschieden. Der Landtag ist kein Souverän! Der größte Witz sind die Parteidisziplin und der Clubzwang! Wo alle ihr Hirn abgeben und mit der Parteilinie mitstimmen. Die sitzen für die Bürger im Landtag, nicht für die Partei. Für den Clubzwang im Landtag und im Nationalrat schäme ich mich. Das ist verfassungswidrig.“

ROKU: „Annahme: Euer Club sitzt nach der Wahl wieder im Landtag: Würdest du mit anderen in eine Koalition gehen? Würdest du überhaupt mitregieren wollen?“

GURGISER: „Damit befassen wir uns nach der Wahl. Diese Kaffeesud-Leserei vor der Wahl bringt nichts. Man weiß ja noch nicht einmal, wer antritt.“

ROKU: „Mit wem willst du persönlich nach der Wahl zusammenarbeiten oder koalieren?“

GURGISER: „Mir ist am liebsten, dass das Bürgerforum stark vertreten ist. Mit jeder Stimme mehr kann der Wähler sicher sein, dass er bei uns echte Handschlag-Qualität hat. Unsere Leute stehen mit beiden Beinen im Leben und in der Familie. Das ist wichtig, damit man weiß, wovon man redet! Das geht, wenn man will. Es sollen nur Menschen Politik machen, die auch selber arbeiten. Ich bin gegen das Kasten-System und Farbenlehre! Daher haben wir auch einen Regenbogen am Prospekt. Ah ja! (lacht) Und ich bin und war auch nie ÖVP-Mitglied... Ich weiß nicht, warum sie das immer erzählen!“

ROKU: Danke für das Gespräch!
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