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Pfurtscheller: „Parteien dienen sich nur selbst!“

Montag, 03 September 2012
Freigegeben in Politik
In Tirol gibt es seit kurzem eine neue Partei, die 2013 bei der Landtagswahl antreten und auch in den Landtag einziehen will. In der Reihe der Polit-Interviews im ROFAN-KURIER spricht diesmal Patrick Pfurtscheller, Gründer der Liste „Für Tirol“ über seine Ziele bei der Wahl und das, was ihn zur Gründung einer neuen Partei bewog.

TIROL (cm) Patrick Pfurtscheller ist 40 Jahre alt, aus Aldrans und ist Geschäftsführer bei Auto Linser. Er ist verheiratet und Vater einer vierjährigen Tochter.  Er hat die Handelsschule absolviert, die Studienberechtigung erworben und berufsbegleitend das FH-Studium „Wirtschaft und Management“ absolviert und als „Magister FH“ abgeschlossen.  

ROKU: „Herr Pfurtscheller, Sie wurden 2009 stellvertretender Obmann des Wirtschaftsbundes in Wilten/Innsbruck. Warum gründet ein ÖVP-Funktionär eine eigene Landtags-Partei?“

PFURTSCHELLER: „Ich bin bereits 1991 aus der ÖVP ausgetreten. Wirtschaftsbund-Mitglied bin ich nach wie vor.  Zur Landtags-Listen-Gründung: In den Jahren als Wirtschaftsbund-Mitglied habe ich mich immer wieder kritisch geäußert und offen gesagt, was in der ÖVP meiner Meinung nach falsch läuft.  Die ÖVP, aber auch die anderen Parteien, dienen nur mehr dem Selbstzweck. Wahlversprechen werden gegeben und gebrochen. Das ist mir zutiefst zuwider geworden. Die ÖVP ist von innen her nicht erneuerbar. Wenn in der ÖVP gemäß den eigenen Statuten agiert würde, bräuchte es in Österreich gar keine andere Partei mehr! Da wäre alles abgedeckt. Nur das ist eben nicht so. Hier stehen Partei-Interessen vor allen anderen Interessen. Das prominenteste Beispiel für so eine verkappte ÖVP-Ideologie ist die Gesamtschule... Man will dem Koalitionspartner keinen Funken Erfolg gönnen. Zuvor macht man lieber etwas Gutes kaputt. Was im Zuge des Untersuchungs-Ausschusses zu Tage tritt, ist skandalös! Aber niemandem passiert etwas. In Österreich ist bei höheren Beträgen fast immer Schmiergeld im Spiel... In Tirol kommt ja fast nichts davon auf. Das heißt aber nicht, dass hier nichts passiert.“

ROKU: „Manch einer denkt, Sie wollen ÖVP-Protest-Potential auffangen und dann wieder mit der Mutter-Partei ÖVP zusammenarbeiten. Also eine „Mogelpackung“...“

PFURTSCHELLER: „Von der Liste der Bürgermeisterin „Für Innsbruck“ hat man das auch gedacht – und „Für Innsbruck“ hat die ÖVP auf die Oppositions-Bank geschickt. Ich trete auch nicht an, um der ÖVP eins auszuwischen, aber ein Ableger dieser Partei sind wir sicher nicht. Wir treten für die Leute an, nicht für die ÖVP. Mir tut es weh, dass in Innsbruck die Hälfte nicht mehr wählen geht. Wer nicht wählen geht, hilft ja nur den großen Parteien! Die ÖVP hat ja 65.000 Funktionäre in Tirol. Wenn die normalen Menschen nicht mehr wählen gehen, braucht die ÖVP nur ihre Funktionäre, um wieder 50% zu holen!“

ROKU: „Die Liste Fritz hat einen beachtlichen Apparat aufgebaut. Dennoch wirft man Dinkhauser fehlende regionale Strukturen vor... Wie wollen Sie das Fehlen von Bezirks-Strukturen und Gemeinderats-Listen kompensieren? Oder ist Ihr Zielgebiet hauptsächlich der Großraum Innsbruck?“

PFURTSCHELLER: „Wir haben geschaut, dass eine breite Öffentlichkeit von unserer Existenz erfährt.  Jetzt suchen wir sehr wohl aktiv Mitstreiter auch in den Bezirken. Unser Ziel ist der Aufbau einer regionalen Struktur und auch auf unserer Homepage sagen wir klar, dass wir Leute suchen und in jedem Bezirk eine Bezirksliste aufbauen wollen. Wir haben aus dem Raum Kitzbühel bereits gute Leute dabei. Wir haben von der Struktur her einen basisdemokratischen Ansatz. Es ist zum Beispiel auch nicht in Stein gemeißelt, dass ich hier Spitzenkandidat sein muss. Die besten Köpfe sollen den Job machen, nicht die, die es am liebsten tun würden.“

ROKU: „Wo ist der Unterschied zur ÖVP? Worin unterscheiden sich ihre Ziele von jenen der Volkspartei? Wo sehen Sie sich selber ideologisch?“

PFURTSCHELLER: „Bei uns ist als einzige Partei gewährleistet, dass nicht Parteiinteressen vorgehen, sondern die Interessen aller Tirolerinnen und Tiroler. Wir wollen die besten SACH-LÖSUNGEN, nicht die besten politischen Lösungen. Und das fehlt derzeit im politischen Angebot. Die meisten Parteien dienen nur noch dem eigenen Machterhalt. Ideologisch bin ich nirgendwo! Ich will keine ideologischen Ecken – ich will nicht konservativ und nicht liberal sein. Die Zeiten haben sich geändert: Nur das politische Spiegelbild der Gesellschaft hat sich noch nicht angepasst. Es ist Zeit für eine Bewegung, die sich abkoppelt von diesem verkrusteten ideologischen Gedankengut. Es gibt von allen Parteien gute Ideen. Nur dürfen die anderen das nie unterstützen, weil man sich in der Politik ja bekämpfen muss. Das ist Blödsinn. Ich will wieder Sachpolitik für die Bürger.“

ROKU: „Fank Stronach sucht bekannte Gesichter für seinen Wahlkampf. Sie auch?“

PFURTSCHELLER: „Ich habe keine Promis auf der Liste und auch keine ausrangierten Politiker. Ich schließe auch aus, dass eine Anna Hosp oder ein Ferdinand Eberle auf unserer Liste stehen. Auch kein Ernst Schöpf. Alle drei Namen wurden schon für unsere Liste kolportiert...“

ROKU: Stimmt es, dass Joe Bellinger (Bez. Kitzbühel) oder Bernhard Schösser aus Innsbruck bei der Wahl auf Ihrer Liste stehen werden?“

PFURTSCHELLER: „Wir sind eine Gruppe, die basisdemokratisch entscheidet. Aber diese beiden sind sicher vorne dabei. Wir haben derzeit 40 Mitglieder. Die beiden gehören zum harten Kern.“

ROKU: „Woher kommt das Geld für Ihren Wahlkampf? Sind Sie Millionär oder haben Sie Geldgeber?“

PFURTSCHELLER (lacht): „Momentan sind wir auf unsere eigenen Geldtaschen angewiesen. Und auf Spenden! Die Kontonummer findet man auch auf www.fuertirol.at. Wobei diese Internet-Adresse MIT Bindestrich dem Bauernbund gehört. Ich habe am 2. Juli die Satzungen von FÜR TIROL als Partei im Innenministerium hinterlegt. Am 11. Juli hab ich diese Partei gegründet bekommen. Am 10. Juli hat Margret Falkner von der ÖVP zufällig den Verein FÜR TIROL gegründet... Also haben wir einen Verein gegründet, der heißt „Partei des Mittelstandes – Für Tirol. Dass die ÖVP jetzt plötzlich auch mit „Für Tirol“ Werbung macht, dafür muss ich mich noch bedanken...“

ROKU: „Mit wem wollen Sie nach der Wahl zusammenarbeiten oder koalieren?“

PFURTSCHELLER: „Wir akzeptieren jeden, der demokratisch gewählt wird. Mir persönlich gefallen einige Ansätze von Fritz Dinkhauser nicht schlecht. Wir schließen freilich niemanden aus.“

ROKU: „Ihr Wahlkampf-Ziel lautet?“

PFURTSCHELLER: „Wir wollen auf jeden Fall in den Landtag. Wie es momentan ausschaut, können wir hoffen, dass sich eine ÖVP-SPÖ-Koalition nicht mehr ausgeht. Dann geht sich eine andere Koalition aus – und da wären wir gerne dabei.“

ROKU: „Was machen Sie, wenn Sie tatsächlich in den Landtag gewählt werden: Geben Sie Ihren Job auf und konzentrieren sich ganz auf die Politik? Oder bleibt die Politik für Sie ein Nebenjob?“

PFURTSCHELLER: „Es ist sicher besser, wenn man den Bezug zum echten Leben beibehält, wenn man in der Politik ist. Ich war bei vielen Vereinen. Das habe ich eingestellt. Ich habe also ausreichend Zeit, mich hier intensiv einzubringen.“

ROKU: Danke für das Gespräch!

Die Menschen werden immer älter. Gleichzeitig kommen weniger Kinder zur Welt, weniger Ehen werden geschlossen. Das bringt große Herausforderungen mit sich: Allein in Tirol müssen in den nächsten 10 Jahren 2.100 zusätzliche Pflegekräfte eingestellt werden.

ÖSTERREICH/TIROL (cm) Dass derzeit mehr alte Menschen leben als je zuvor, hat verschiedene Gründe: Einerseits hat sich die medizinische Versorgung stark verbessert. Die Menschen werden älter. Andererseits kommen jetzt die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit ins Pensions-Alter. Weil zugleich aber immer weniger Kinder geboren werden, sind in nur 10 Jahren, also 2022, voraussichtlich bereits 26% der Tirolerinnen und Tiroler über 60 Jahre alt! Die Alterspyramide hat ihren Namen nicht mehr verdient: Sie entwickelt sich immer mehr zum „demographischen Döner".

Weniger Junge, mehr Alte: Das stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen, auch vor Probleme. In Tirol beispielsweise müssten in den nächsten 10 Jahren 2.100 neue Pflege-Kräfte gefunden werden und 1.300 zusätzliche Heimplätze entstehen. Der ROFAN-KURIER hat zu diesem Thema mit Gesundheitslandesrat Dr. Bernhard Tilg gesprochen.

ROKU: „Herr Landesrat, wie sehen Sie das, wie begegnet man dieser Herausforderung?"

TILG: „Generell gilt: Wir müssen versuchen, dass unsere Seniorinnen und Senioren so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben können. Laut unseren Erhebungen wollen das auch 80% der älteren Leute. Sie bleiben aktiver und es spart dem Staat Geld, wenngleich wir auch viel in die Betreuung zu Hause investieren. Die Sozial- und Gesundheitssprengel, aber auch unsere niedergelassenen Ärzte ermöglichen den älteren Menschen, die das wollen, ein Altern in Würde zu Hause. Das fängt bei Essen auf Rädern an und geht bis zu Projekten mit betreutem Wohnen oder ambulanter, palliativer Hospiz-Pflege." Ein schwerer Pflegefall kostet am Tag übrigens etwa 190,- EURO, also knapp 70.000,- EURO pro Jahr.

ROKU: „Wird man es in Tirol schaffen, die 2.100 zusätzlichen Pflege-Kräfte bis 2022 auszubilden?"

TILG: „Das ist eine große Herausforderung. Wir bilden aber derzeit an allen Tiroler Krankenpflege-Schulen aktuell pro Jahr bereits 210 zusätzliche Schüler aus. Die arbeiten dann zwar oft auch in Krankenhäusern, aber auch in Heimen. Darüber hinaus bieten wir über das AMS oder das AZW besondere Kurse und Zusatzausbildungen in diesem Bereich an und es gibt Schulungen für Wiedereinsteiger, die komplett vom Land Tirol finanziert werden."

ROKU: „Was denken Sie: Hält angesichts der demographischen Entwicklung das Pensionssystem?"


3 Milliarden Landes-Budget, 30 Milliarden Pensionen!

TILG: „Man muss sich das mal vorstellen: Die gesamte Tiroler Landesregierung hat mit der Verwaltung ein  Jahresbudget von etwa 3 Milliarden EURO. Zum Vergleich: Österreich bezahlt bereits jetzt Pensionen in der Höhe von etwa 25 Milliarden EURO, die PVA gibt insgesamt pro Jahr 30 Milliarden EURO aus. Das sind schon Summen. Allein in Tirol werden  1,8 Milliarden EURO pro Jahr an Pensionen ausbezahlt. Weitere 180 Millionen pro Jahr kostet allein der Pflegebereich. Tendenz steigend. Bereits in 10 Jahren sollen sich hier die Kosten etwa verdoppeln."

ROKU: „Ist das zu bewältigen? Wie schaut hier die Lösung aus?"

TILG: „Österreich ist bereits jetzt ein Hoch-Steuerland. Aber man wird darüber sprechen müssen, ob nicht auch wie im Gesundheitsbereich (also eine Krankenversicherung) eine Pflegeversicherung Pflicht wird. Ansonsten wird es wirklich schwer werden, diese Kosten auch in 10 oder 20 Jahren im Pflegebereich noch zu decken. Bereits bis jetzt wurden etliche Projekte wie Münster, St. Johann oder Kitzbühel umgesetzt. In den Bezirken Kitzbühel, Kufstein, Schwaz wurden in den letzten Jahren 400 neue Jobs im Gesundheits- und Pflegebereich geschaffen. Bis 2020 fließen 700 Mio. EURO in den Ausbau weiterer Krankenhäuser."

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