Machen Agrargemeinschaften nach dem Erkenntnis des Verfassungs-Gerichtshofes zum Überling noch Sinn? Ursprünglich war in Tirol eine Gesetzes-Novelle bis Ende Jänner angedacht. LA Bgm. Alois Margreiter (ÖVP) und Bauernbund-Vertreter fordern mehr Zeit. Man müsse die Dörfer befrieden und die Bewirtschaftung sicher stellen.
TIROL (cm) Bereits 2008 gab es eine Entscheidung der Höchst-Gerichte zur Frage der Gemeindeguts-Agrargemeinschaften: Die Gewinne aus den so genannten „Substanz-Werten“, also Geld aus Skipisten-Entschädigung, Schottergruben, Baugrund-Verkauf... stehen seither den Gemeinden zu. Über diese Entscheidung wurde jahrelang gestritten. Seit Oktober 2013 gibt es ein weiteres Erkenntnis des Verfassungs-Gerichtes: Es besagt, dass auch der gesamte „Überling“, also der land- und forstwirtschaftliche Ertrag, der über den Eigenbedarf der Mitglieder hinausgeht, den Gemeinden zusteht.
Höchstrichtliche Erkenntnisse gilt es umzusetzen. Dafür muss aber das so genannte „Tiroler Flur-Verfassungs-Landesgesetzes“ (TFLG) novelliert werden. Von der Opposition schwer unter Beschuss, wollte die Regierung diese Novelle bis Ende Jänner durchziehen. Doch die Bauernbund-Vertreter im Landtag fordern geschlossen mehr Zeit. Der ROFAN-KURIER hat dazu LA Bgm. Alois Margreiter zum Interview gebeten.
ROKU: „Herr Margreiter, was bedeutet das Agrar-Erkenntnis des Verfassungs-Gerichtshofes?“
MARGREITER: „Für ein kleines Agrargemeinschafts-Mitglied, das 30 Jahre lang meist ehrenamtlich ein Waldstück bewirtschaftet hat und damit nachweislich den Ertrag gesteigert hat, ist dieses Urteil unfassbar. Plötzlich soll das angesp-arte Holz an die Gemeinde fallen. Die Agrargemeinschaften sind nur noch eine leere, rechtliche Hülle.“
ROKU: „Sie sind also gegen die Umsetzung des Urteils?“
MARGREITER: „Nein, auf keinen Fall. Auch wenn es mir nicht gefällt, muss das Erkenntnis auf Punkt und Beistrich umgesetzt werden. Wir müssen die Dörfer endlich befrieden. Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber den Spielraum, den der Landtag nun in der Novelle des TFLG hat, soll man schon nutzen, damit die Flächen weiter bewirtschaftet werden. Mit diesem Urteil dürften Gemeinden den Agrargemeinschaften eigentlich nicht mehr die Bewirtschaftung der Almen übertragen. Viele Gemeinden wollen das aber selber auch nicht machen.“
ROKU: „In Fügen prozessiert die Agrar-Gemeinschaft seit Jahren gegen die Gemeinden...“
MARGREITER: „Diesen Fall kenne ich nicht. Aber von den Landtags-Abgeordneten des Bauernbundes werden Prozesse nicht unterstützt. Wir brauchen keine Hard-Liner. Weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. Sonst gibt es keine Lösung.“
ROKU: „Was sind für Sie die wichtigsten Punkte im Urteil?“
MARGREITER: „Nur mehr der eigene Haus- und Gutsbedarf von Stammsitzen darf von den Mitgliedern der Gemeindeguts-Agrargemeinschaften gedeckt werden. Und zwar nur in Naturalien. Als Nutzungs-Rechte kommen nur Holz- und Weiderechte in Frage.“
ROKU: „Es liegt bereits ein Gesetzes-Entwurf zur Novelle vor...“
MARGREITER: „Ja, es liegt ein Beamten-Entwurf vor. Der Gemeinderat soll einen Substanz-Verwalter für die Agrar-Gemeinschaften bestellen. Der könnte dann alleine über Verpachtung und Verkäufe entscheiden. Und auch die Auflösung von Agrargemeinschaften ist laut Entwurf nun möglich. Doch dieser Entwurf regelt viele wichtige Fragen ungenügend! Wir brauchen 1.) Die Sicherstellung der Bewirtschaftung. 2.) Die Nutzungs-Rechte dürfen nicht versteinert gesehen werden. 3.) Die Stichtage müssen geklärt werden...
sen die Stichtage: Ab wann gehen die Substanzwerte und ab wann geht der Überling an die Gemeinden? 4.) Weniger Rechte und weniger Ertrag muss auch weniger Pflichten und weniger Verantwortung bedeuten!“
ROKU: „Wie konnte es soweit kommen?“
MARGREITER: „Eine Agrargemeinschafts-Mitglieder haben es übertrieben. Dieses Verfassungs-Gerichtshof-Urteil ist die Rechnung dafür. Wenn einige wenige den Bogen nicht so überspannt hätten, wären wir heute nicht in der Situation, dass die Agrargemeinschaft nur noch eine leere Hülle, ein atypisches Eigentum sind. Es gab Gemeinden, in denen Agrarier die Bürgermeister an der Leine herumgeführt haben.“
ROKU: „Macht eine Agrargemeinschaft dann noch Sinn?“
MARGREITER: „Einige Bauernbund-Mitglieder stellen sich tatsächlich diese Frage. Auflösung und Rückübertragung sind eine Option. Aber dann hätten wir wieder die selbe Situation wie vor den Agrar-Gemeinschaften: Nämlich dass jeder Berechtigte mit der Motor-Säge in den Wald geht und sich sein Holz holt!“
ROKU: „Danke für das Inteview!“