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Wir vom Rofan-KURIER haben die Werkstätte der Lebenshilfe Wörgl besucht und uns gefragt: Was ist normal, was ist Standard und was nicht?

WÖRGL (gw) Ein ganz normaler Tag beginnt. Die Klienten werden teilweise von den Zivis bei den Eltern zuhause abgeholt. Viele kommen von nebenan, dem Wohnhaus der Lebenshilfe. Während die einen ankommen, gehen die anderen schon an ihren täglichen Arbeitsplatz. Seit 1995 werden hier Menschen mit Behinderung im Arbeitsalltag unterstützt. Wochentags kommen 35 Klienten, die meisten sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Sie können verschiedene Arbeitsbereiche ausprobieren, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten erweitern und wertvolle Erfahrungen im Umgang und der Zusammenarbeit in der Gruppe sammeln.

Es gibt viel zu tun!

Das Angebot ist groß: Fitness-Studio, Reiten, Rückenschule, Schwimmen oder Trommelworkshop.
Kommt man als Fremder hier rein, fühlt man sich schnell aufgenommen. Meistens sind noch Praktikanten im Rahmen einer Ausbildung oder andere freiwillige Helfer da. Oft ohne Erfahrung mit Menschen mit Behinderung. Doch die liebenswürdige Iris fängt jeden Neuen auf: „Bist du die Praktikantin? Isst du heute mit uns? Komm, ich zeige dir die Küche.“ Allein schon, um in den Genuss dieses Essens zu kommen, lohnt es sich, einen Tag bei der Lebenshilfe mitzuhelfen.

Selbstständiges Arbeiten

Die anderen Fleißigen sind schon in ihren Außenstellen. Sie sind gefragte und beliebte Mitarbeiter bei Verival, Sandoz und GEOtec. Assistent Martin fährt mit seiner Gruppe jeden Vormittag zum Stifte und Lineale verpacken. Wir können nur staunen, mit welcher Konzentration Christoph und seine Kollegen arbeiten. Zwei Stunden Schachteln auf und zu, auf und zu, ohne dabei müde zu werden. Im Keller der Lebenshilfe-Werkstätte wird währenddessen getischlert. Alois und seine Klienten machen die Rahmen für die Kunstwerke, die gerade im ersten Stock entstehen. Maltherapeutin Margit ist hier mit ihren Leuten bei der Arbeit. Angelas Werke erinnern an Klimt. Ihre Bilder wurden sogar schon nach China verkauft, erzählt sie strahlend. Im Verkaufsraum sind diese Werke ausgestellt, und vieles mehr: Grußkarten, Ketten, Vogelhäuser, Engel und viele besondere Geschenkartikel.

Beschäftigung
und Geborgenheit

Jeder Klient hat seinen Platz in der Werkstätte Wörgl, mit seinen ganz eigenen Arbeitsaufgaben und Vorlieben. Geleistet wird, was möglich ist. Im Team um die Klienten herrschen Respekt und Verständnis. Natürlich fehlen manchmal Selbstironie und Sarkasmus auch nicht.
Während die Klienten bald auf dem Nachhauseweg sind, ziehen wir unser Fazit: Ein Tag bei der Lebenshilfe ist ein randvoller Tag, viel Kreativität, Arbeit und Gefühl.
Die Begegnung mit Menschen mit Behinderung ist sehr bereichernd. Hier wird nichts vorgetäuscht oder gespielt, wie in manch anderen Firmen. Wir können so vieles von Menschen mit Behinderung lernen. Im Jetzt sein, sich Zeit nehmen, die Liebe zum Detail, absolut fokussiert arbeiten, Konflikte sofort ansprechen, einfach handeln, ohne lange vorher oder nachher nachzugrübeln. Wenn man so darüber nachdenkt, könnte man auch sagen: Genau das wären doch die normalsten Dinge der Welt, oder?
Christian Zangerl jr. ist in Wörgl für seine abenteurlichen Reisen bekannt. Nun verbindet er seine Leidenschaft mit einem sozialen Gedanken...

WÖRGL (aw) „Ich war ganz erstaunt, als wir 100 Leute wieder nach Hause schicken mussten“, erzählt Christian „Jovi“ Zangerl jr. einige Wochen nach seinem ersten Dia-Vortrag im VZ Komma. Der rege Andrang hatte auch mit dem Benefiz-Gedanken seiner Präsentation zu tun: Denn der gesamte Erlös von 4.500,– EURO ging an den Wörgler Daniel Pauger, der seit einem Snowboard-Unfall im Rollstuhl sitzt.

Zangerl wollte los vom „Geld-Gedanken“

Jovi ist überzeugt: „Wir leben in einer Konsumwelt und müssen das Geben und Nehmen wieder lernen“. Weil er vom Geld-Gedanken los wollte, reiste er nach Nepal, um sich dort mit Straßenkindern durchs Leben zu boxen. Diese weniger schönen Seiten behandelte der 33-jährige Wörgler auch in seinem Dia-Vortrag.
Zangerl jr. bezeichnet sich selbst als „Überlebenskünstler“. Besonders seit seiner Zeit in Amsterdam, wo er fünf Jahre lang auf der Straße lebte. „Das Arbeiten hat mir keine Freude mehr gemacht, ich fühlte mich ausgenutzt, nicht mehr frei“, sagt der gelernte Tischler. In Amsterdam hatte Jovi schwere Zeiten, landete am Ende jedoch bei einer wohltätigen Organisation, die sich um Obdachlose kümmert.
„Doch Weihnachten 2005 wollte ich wieder nach Hause“, gesteht Jovi.

Laut seinen Aussagen hat Zangerl jr. schon seit seiner Geburt eine ausgeprägte „soziale Ader“. Dazu passt auch die Tatsache, dass er 2008 einer Frau bei einer Messerattacke das Leben rettete und daraufhin die Lebensretter-Medaille des Landes verliehen bekam.
Jovi glaubt zwar nicht an die Kirche, sehr wohl aber an eine höhere  Macht. Er ist überzeugt: „Wir werden nicht nach dem eingestuft, was wir denken. Wir werden nach unseren Taten eingestuft.“
Getreu seinem Motto wiederholt Jovi am Dienstag, 11. Dezember, seinen Benefiz-Dia-Vortrag im VZ Komma. Diesmal gehen 50% der Einnahmen an die Lebenshilfe und die anderen 50% an Daniel Pauger.
© Rofankurier