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110 kV-Leitung: Neubau verschiebt sich!

Dienstag, 02 Juni 2015
Freigegeben in Tirol-Nachrichten
In der letzten Ausgabe berichtete der ROFAN-KURIER exklusiv über den Neubau mit Verlegung der TIWAG-Leitung von Kramsach bis Kirchbichl. Wie nun bekannt wurde, hat die TINETZ den Leitungs-Bau verschoben.

KRAMSACH/BREITENBACH (cm)  Der ursprünglich für 2017 angedachte Neubau der 110 kV-Leitung in Kramsach wird sich verzögern: Wie es aussieht, kommt die Entlastung der Bevölkerung sowie die Entfernung der alten, teils schon angegriffenen Masten erst im Jahr 2019.
Zwar wird gemäß jetzigen Planungen 2017 mit den Bauarbeiten begonnen. Diese starten jedoch beim Umspannwerk Kirchbichl.
Gemäß jetzigen Plänen wird nicht in jenem Ort begonnen, in dem die meisten Bürger und sogar eine Volksschule von der Überspannung durch eine 110 kV-Leitung betroffen sind.
Die TINETZ hat den Bau der  neuen Leitung in drei Bereiche unterteilt: Bereich 3: UW (Umspannwerk) Kramsach – hier soll 2019 gebaut werden. Bereich 2: UW Kundl (Breitenbach und Kundl) – hier soll 2018 mit dem Bau in der Gemeinde Breitenbach begonnen werden und Bereich UW Kirchbichl, wo bereits 2017 mit den Arbeiten gestartet werden soll. Ursprünglich war das Projekt für etwa ein Jahr früher angesetzt worden.

Vermessungen laufen

Aktuell sind Mitarbeiter der TINETZ unterwegs, um für das Projekt Vermessungen durchzuführen. Hierzu wurden die Grundbesitzer über die Überlegungen für eine optimierte, bessere Leitungsführung informiert und gebeten, den TINETZ-Mitarbeitern Zugang zu den betreffenden Grundstücken zu gewähren.
Wie wirken elektro-magnetische Felder, wie sie etwa von einer 110 kV-Leitung der TIWAG/TINETZ abgegeben werden? Welche Auswirkungen haben sie auf die Gesundheit? Der ROFAN-KURIER traf den Referenten für Umweltmedizin der Österreichischen Ärztekammer, Dr. Gerd Oberfeld, in Salzburg.

TIROL/SALZBURG (cm)  Wie steht es um die medizinischen Auswirkungen von elektrischen und magnetischen Feldern, wie sie etwa die Hochspannungs-Leitungen der TIWAG/TINETZ produzieren? Antworten gab Dr. Gerd Oberfeld, Referent für Umwelt-medizin der Ärztekammer.

ROKU: „Welche Folgen hat es, wenn man jahrelang Elektrosmog-Belastungen ausgesetzt ist?“
Dr. OBERFELD: „Diese Felder können im Körper nachweislich zur Bildung des Stoffes „Peroxi-Nitrit“ (NO3) führen. Das wirkt wie ein freies Radikal. Durch Oxidation von Fetten, durch Schädigung von Eiweiß und durch Hemmung von Enzym-Aktivität im Körper führt NO3 zu Schäden an den Zell-Membranen, schädigt Zell-Bestandteile und schädigt auch die DNA. Daten zeigen, dass vor allem Langzeit-Belastungen relevant sind.“

ROKU: „Um welche gesundheitlichen Schäden handelt es sich konkret?“
Dr. OBERFELD: „Bei Langzeit-Expositionen gegenüber starken magnetischen Feldern steigt durch diese Zellschädigungen allgemein das Risiko für bestimmte Erkrankungen wie Krebs, Leukämie bei Kindern, Alzheimer oder auch Brustkrebs. Speziell bei Kinder-Leukämie ist diese Auswirkung faktisch bewiesen.“

ROKU: „Aber nicht jeder, der in Leitungs-Nähe lebt, erkrankt an Leukämie…“
Dr. OBERFELD: „Zwei zusammenfassende Analysen mehrerer Studien zeigten: Das Risiko für Kinder-Leukämie bei einer Dauer-Belastung von durchschnittlich über 300 bzw. 400 nT (Nanotesla) ist mehr als doppelt so hoch wie bei Belastungen unter 100 nT...“

ROKU: „Was sagt die WHO zum Thema Elektro-Smog?“
Dr. OBERFELD: „Das Internationale Krebsforschungsinstitut der WHO (kurz „IARC“) stuft magnetische Wechselfelder bereits seit 2001 als „möglicherweise krebserregend“ ein und seit 2011 den gesamten Funkfrequenzbereich als „möglicherweise krebserregend“. Prof. Dr. Michael Kundi von der Medizinischen Universität Wien beschäftigt sich intensiv mit dem Problem, er fordert bei magnetischen Wechselfeldern eine Korrektur auf „definitiv krebserregend“ ...          


Dr. OBERFELD: „Dutzende Studien von Wissenschaftlern weltweit zeigen beginnend mit 1979 übereinstimmend: Je höher die Magnetfeld-Belastung in Nanotesla (nT), umso höher die Wahrscheinlichkeit für kindliche Leukämie.“

ROKU: „Angenommen, ein Kind steht unter der 110-kV-Leitung. Ein Leitungs-Strang reißt und fällt in der Nähe auf die Erde: Gibt es hier einen Schutz-Kontakt? Hört der Strom auf zu fließen oder wird das Kind getötet?“
Dr. OBERFELD: „Das wäre zwar ein sehr unwahrscheinliches Ereignis, das aber in Abhängigkeit von der Distanz auch tödlich sein kann. Diesbezügliche Erfahrungen mit Stromunfällen liegen bei den
Energieversorgern vor. “

ROKU: „Wir werden diese Frage in einem der nächsten Beiträge an die TIWAG/TINETZ richten. Sie haben 100 nT (Nano-Tesla) magnetisches Feld und 10 Volt/Meter elektrisches Feld als Durchschnitts-Werte für den Dauer-Aufenthalts-Bereich gefordert. Ist das aktuell?“
Dr. OBERFELD: „Das sind Werte, die für Orte mit Daueraufenthalt passen, ja. Außer im Schlafbereich: Hier sollte das elektrisches Feld wenn möglich unter 1 Volt pro Meter betragen.“

ROKU: „Wie stufen Sie die Werte aus der Messung der 110 kV-Leitung von Kramsach ein?“
Dr. OBERFELD: „Hier interessiert mich als erstes: Wo sind die Schlafplätze und die Dauer-Aufenthaltsplätze. Bei Plätzen mit empfindlicher Nutzung, wie dem Schlaf- oder Arbeitsplatz, sollte wie erwähnt der empfohlene Vorsorge-Wert von durchschnittlich  100 nT (Nano-Tesla) für die Summe aller magnetischen Wechselfelder nicht überschritten werden.“

ROKU: „Ein Gemeinderat bezeichnete Berichte zum Thema Elektro-Smog als „Panikmache“. Ist Ihre wissenschaftliche Forderung nach Vorsorgewerten Panikmache?“
Dr. OBERFELD: „Es handelt sich hier um wissenschaftliche Fakten, die aber möglicherweise unterschiedlich gesehen werden. Ich sehe hier das Recht der Bevölkerung, über mögliche Risiken aufgeklärt zu werden. Das Gegenteil davon wäre das Vorenthalten wichtiger Informationen. Aber nur auf der Basis von Informationen kann man fundierte Entscheidungen treffen.“

ROKU: „Gibt es für Elektro-Smog wie er von der 110 kV-Leitung der TIWAG/TINETZ verursacht wird, Grenzwerte?“
Dr. OBERFELD: „Nein, es gibt tatsächlich keinen gesetzlich definierten Grenzwert in Österreich.“
ROKU: „Danke für das Gespräch!“

Weitere Informationen unter:

http://www.salzburg.gv.at/df_ratgeber_1.pdf
 
und

http://www.salzburg.gv.at/infoblaetter.htm




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